Da wir die Heimatgeschichte nicht neu erfinden wollen und können, bedienen wir uns frei aus den Ausführungen des Gerd Viebahn, unseres ehem. Schriftwartes.

Veröffentlicht in dem Buch:
100 Jahre Turngemeinde Westhofen
Herausgeber:
TG Westhofen 1883 e. V.
Redaktion:
Willi Wachholz


Bilder zur Geschichte unserer Heimat

1. Urgeschichte

2. Die Zeit der Kelten, Germanen und Römer

3. Die Sigiburg und der Sachsenkrieg

4. Der Reichshof Westhofen bis 1300

5. Der Reichshof Westhofen nach 1300

6. Das Amt in der preußischen Provinz Westfalen

Zusammenfassung der wichtigsten Daten und Ereignisse

 

1. Urgeschichte

Der Name „Westhofen" entstand vor ungefähr 12 Jahrhunderten. Die ältesten Spuren menschlichen Wirkens im Bereich unserer engeren Heimat könnten vielleicht schon 12 Jahrtausende alt sein. Doch wenn wir uns mit den steinernen Fundstücken befassen, deren zeitliche Einordnung sicher ist, erkennen wir ein Alter von 4 bis 6 Jahrtausenden. Mit der Jungsteinzeit war die Zeit der sesshaften Lebensweise und der bäuerlichen Zivilisation angebrochen. Menschen, die den meisten heutigen Europäern bereits recht ähnlich waren, blieben in ihren Siedlungen jeweils so lange, wie der Boden sie ernähren konnte. Sie hielten als Haustiere Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, sie kannten den vierrädrigen Wagen und den Pflug, Zugtiere sowie kleine Herden. Es gab auch einige Gewerbe. Als Jungsteinzeit werden vorrangig die letzten Jahrtausende der auf rund 600000 Jahre bemessenen Steinzeit bezeichnet (ca. 4000 bis 2000 vor Chr.). Sie war die „Zeit der Keramik und der Steinwerkzeuge".

Menschen verschiedener Kulturgemeinschaften besiedelten große Teile Europas. Die Bandkeramiker des donauländischen Kulturkreises stießen in ihren nördlichsten Ausläufern bis zur Lippe vor. Ihre bandförmigen Verzierungen der Gefäße begründen diesen Namen. (An der Wende zur späteren Bronzezeit breitete sich in Mitteldeutschland die Kultur der Schnurkeramiker gleichzeitig mit der von Norden kommenden Kultur der Streitaxtleute aus.)

Im Bereich unserer weiteren Heimat, nördlich und südlich der Ruhr, konnten Funde von bearbeiteten Steinen gemacht werden, die in jener Zeit als Werkzeuge, Waffen und in einigen Fällen vielleicht als Schmuck verwendet worden waren. Einige Fundstücke werden dem westlichen Kulturkreis, andere dem norddeutschen Kulturkreis zugeordnet, besonders häufig ist jedoch die Rössener Kultur vertreten, die den Bandkeramikern des Südostens nahe stand. Hier gibt der Ort des ältesten Fundes den Namen für Stücke, welche auch in Westhofens Umkreis mehrfach ausgegraben wurden. Die Zuordnung ist nicht immer leicht.

Unter den jungsteinzeitlichen Funden fällt hervorragend die durchsichtige gelblich-braune schön geformte Pfeilspitze aus Feuerstein auf (Abb. 1). Diese Wandhofener „Dornpfeilspitze" wurde 1935 auf dem Kreinberg gefunden.

Zu den Feuersteinwerkzeugen gehört der erst 1982 gefundene hellbraune Schaber aus Flint (Abb. 2), der am „Luhasen" oberhalb der „Ackersbecke" gelegen hat.
Besonders erwähnt seien auch das vor wenigen Jahren oberhalb dieser Ackersbecke gefundene große Steinbeil aus Diabas (Abb. 3) und das Bruchstück eines Keiles aus dem Siepen.

Aus der Ackersbecke stammt auch das Schneidenstück des so genannten „Schuhleistenkeiles" (Abb. 4). Es besteht aus Felsgestein und wird bandkeramischen Kulturen zugeordnet.

Abb. 4 (12 cm) und Abb. 4a Draufsicht

Abb. 5 (9cm lang)

Auf dem Westhofener „Spickersberg" (Speckberg) hat der Boden jahrtausendelang ein kleines Beil aus Diabas-Felsgestein verborgen (Abb. 5).

 

 

Weitere Feuerstein-Pfeilspitzen aus Wandhofen, Holzen und vom Garenfelder Ruhrtal werden der Rössen- bzw. der Becher-Kultur zugeschrieben. Die blattförmige Pfeilspitze aus Wandhofen, Vor der Höh' (Abb. 6, gef. 1935), ist weiß-grau wie die Dornpfeilspitze vom Kreinberg (Abb. 7, gef. 1936).

Abb. 6 (5,5 cm)

Abb. 7 (2,9 cm)

Eine ausdrucksstarke Arbeitsaxt aus Felsgestein der donauländischen Rössen-Kultur gab 1935 der Sommerberg frei (Abb. 8). In Garenfeld lag die Beilschneide aus Rijkholt-Feuerstein, ein Importstück aus dem westeuropäischen Bergbau (Abb. 9), die im 3. Jahrtausend vor der Zeitrechnung angefertigt wurde.

Auch nahe der Holzener Bodelle geriet ein Beil in Finderhand. Zwei Kieselschieferbeile wurden 1934 entdeckt, das eine in Syburg (Abb. 10), das andere im oberen Wannetal.

Abb. 10 (7,5 cm)

2. Die Zeit der Kelten, Germanen und Römer

Die Ausbreitung der „Indoeuropäer" als Begründer der meisten Sprachen von Island bis Indien kann im Zusammenhang mit dem Vordringen der Schnurkeramiker und der Streitaxtleute vor fast 4 Jahrtausenden gesehen werden. Denn an der Wende von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit (letztere ca. 1750-700 vor Chr.) überströmten Indoeuropäer auf schnellen Pferden und mit schnellen Streitwagen das Gebiet der alten steinzeitlichen Kulturen Europas. Sie wandelten sich durch deren Unterwerfung zu neuen Völkern wie den Kelten, Germanen, Italikern und anderen.

Den Kelten werden in unserer weiteren Heimat zahlreiche Namen von Flüssen und Bächen zuge­schrieben, auch der Name unserer Ruhr und der Lippe. Am Ende der Bronzezeit drangen von Norden kommende Germanen in die keltischen Randgebiete ein. Mehrere Bronzeschwerter sind am Kaisberg (südlich des Harkortsees) gefunden worden, ein Lappenbeil im Jahre 1935 in Ergste und ein Beil mit Öse in Hagen-Helfe.

In der Eisenzeit (seit ca. 700 v. Chr.) überschichteten die Germanen die Bevölkerung Nordwestdeutschlands und beherrschten im 3. Jahrhundert auch das heutige Westfalen. Die Stämme der Sigambrer und Chattuarier durchzogen oder besiedelten das Ruhrgebiet. Eine Rauhtopfschüssel aus jener Zeit konnte aus den Scherben ergänzt werden, die 1935 in einem Lehmhang beim Bodellenbach etwas westlich der Wannebachstraße sichtbar wurden (Abb. 11). Auch die Herkunft einer Grube liegt über 2000 Jahre zurück, die genau dort an dem Hohlweg erkennbar war. Ebenfalls in die Zeit vom 4. bis 1. Jh. vor der Zeitrechnung gehört die dünnwandige zweite Rauhtopfschüssel der vorrömischen Eisenzeit (Spät-Latene, Abb. 12). Sie hat einen einziehenden geglätteten Rand und wurde 1959 an der Einmündung Schlossstraße/Hohlweg vor den Autobahnarbeiten gerettet.

Abb. 11 (35 cm)

Abb. 12 (34 cm)

An die Zeit der Römerkriege vor fast 2 Jahrtausenden erinnert die 1934 in Ergste gefundene bedeutende kleine Goldfigur der römischen Siegesgöttin. Im Kampf gegen die Römer schlossen sich die nach Südwesten vorstoßenden Sigambrer mit einigen germanischen Stämmen zum „Bund der Franken" (d. h. Freie) zusammen, um die Unabhängigkeit zu bewahren. Die Franken überschwemmten in den späteren Jahrhunderten (bis etwa 300 nach Chr.) vom Rheinland ausgehend das gallische Land („Frankreich").

Einen anderen Stammesverband bildeten später die Sachsen, die in der Völkerwanderungszeit von ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet in Holstein ausgehend sich mit anderen germanischen Stämmen wie den Chauken an der Wesermündung und den Angrivariern an der unteren Weser vereinigten, nach Süden vorstießen und im 6. und 7. Jahrhundert zum Rhein hindrängten. Um 700 n. Chr. haben sie auch die zwischen Ruhr und Lippe wohnenden Germanen vom Stamme der Boruktuarier (Brukterer) ihrer Herrschaft untergeordnet. Jetzt standen sie an allen erreichbaren Toren des großen fränkischen Machtbereiches.

3. Die Sigiburg und der Sachsenkrieg
Nach Erlangung der Herrschaft über die Brukterer und einen Teil der Chattuarier sind die Sachsen durch das fränkische Heer bei ihrer weiteren Ausdehnung behindert worden. Die altsächsischen Teilstämme der Westfalen, Engern und Ostfalen, die nur einmal jährlich nahe der Weser mit den hervorragenden Männern aller drei Stände zur gemeinsamen Volksversammlung von Marklo zusammentraten, bauten zur Befestigung ihres Machtbereiches die Volksburgen. Zu den bedeutendsten gehörten die Eresburg (Obermarsberg) im Lande der Engern und in Westfalen die Sigiburg über der Ruhr in Hohensyburg (Abb. 13). Abb. 13 Grundrisse der Sigiburg und des heutigen Burgberges

Auf dem Syburger Berg hatte wahrscheinlich auch vorher schon eine germanische Volksburg im Lande der Brukterer bestanden. Die strategische Lage im Grenzbereich zwischen Volksstämmen und auch zwischen verschiedenen Völkern war über Jahrhunderte immer hervorragend. Ihr Name „Sigiburg" könnte sogar von den Sigambrern abgeleitet werden, die seit der Römerzeit zwischen Ruhr und Sieg gelebt haben. Eine andere mögliche Erklärung führt zu dem Begriff Quellenberg. Als wasserspeichernder „Berg der Brunnen" unterstützt der Syberg auf erstaunliche Weise auch die zweite Deutung.

Der erwähnte Stamm der Brukterer hat einen sicheren Platz in der Geschichte unseres Raumes, denn seine Menschen gehören auch zu unseren Vorfahren. Er hatte sich der großen fränkischen Völkerschaft verbunden und war Mitglied des fränkischen Kulturkreises, bevor die überlegenen Sachsen sein Land eroberten. Sieben Jahrhunderte zuvor hatten seine Männer im Jahre 9 zusammen mit den Cheruskern unter Armin siegreich gegen die Römer gekämpft. Die Namen der Brukterer und Chattuarier überlebten noch lange im mittelalterlichen Brukterergau „Borochtra", der von hier bis zur Lippe reichte, und in dem südwestlich benachbarten Gau „Hatterun", dessen Name bis heute von der Stadt Hattingen überliefert wird.

 

Abb. 14: Karl der Große. Kleine Bronzestatuette; jetzt im Museum in Paris

Die Sachsen, seit 695 Herren über unser Land, bildeten die größte germanische Völkerschaft außerhalb des fränkischen Königreiches. Sie beharrten bei ihrer heidnischen Religion, während die Franken sich längst zum Christentum bekannten. Für ihre Kriege wählten sie drei Stammesherzöge zu Führern ihrer Streitmacht, einer ständigen Bedrohung der fränkischen Reichsgrenze.
An die Spitze des Frankenreiches kam im Jahre 768 ein Mann, der später eine der bedeutendsten Gestalten unserer deutschen und europäischen Geschichte werden sollte: König Karl (Abb. 14). Er setzte die Sachsenpolitik seiner Vorgänger fort und beschloss 772 auf dem Reichstag zu Worms den Krieg gegen die unruhige Völkerschaft an seiner Grenze. Als der Reichstag beendet war, rückte er im ersten seiner Sommerfeldzüge durch das fränkische Hessen an. Mit einem starken Heer eroberte er die Eresburg, zog weiter und ließ eine heilige Säule, die Irminsul, zerstören. So ließ dieser Krieg auch seine religiösen Ziele erkennen, denn der Glaubensunterschied erschwerte gewiss die Durchsetzung des politischen Zieles. Und das war die Eingliederung der Sachsen in das große fränkische Reich! Doch zunächst haben heftige sächsische Gegenschläge viel Verlorenes zurückerobert.
Doch dann, nach dem Dürener Reichstag von 775, griffen die Franken erneut an, diesmal von Südwesten. König Karl führte sein mächtiges Heer von Düren aus über den Rhein nach Westfalen, bis zu der steilen Höhe über dem Zusammenfluss von Ruhr und Lenne. Hier eroberte er unsere Feste Sigiburg, die nur nordöstlich einen flacheren Zugang hatte.

Dieses Ereignis belegen die fränkischen Jahresberichte (Abb. 15). Somit ist damals mit Syburg unsere engere Heimat in den Bereich der geschriebenen Geschichte aufgenommen worden.

Die Truppen des Königs waren auf diesen Feldzug erheblich besser vorbereitet als drei Jahre vorher. Sie ließen eine starke Besatzung auf der Sigiburg zurück und zogen weiter zur Eresburg. Nach deren Erneuerung und einer gewonnenen Schlacht bei der Weser am Brunisberg setzten sie ihren Marsch fort.Nach den fränkischen Erfolgen westlich der Weser stieß Karl schnell ins Land der Ostfalen vor, die überrascht ganz auf Widerstand verzichteten. Doch die westfälischen Sachsen überfielen den westlich der Weser verbliebenen zweiten fränkischen Heeresteil. Dort fanden bei Hlidbeki (Lübbecke) sehr viele Franken den Tod, der Rest musste fliehen. Führer der westfälischen Angreifer ist dabei wahrscheinlich schon Herzog Widukind gewesen, dessen Name bald danach zum erstenmal erwähnt wurde. Karls erster Heeresteil eilte nun hinzu, brachte jenen Sachsen eine Niederlage bei und beendete den zweimonatigen Feldzug. Zuvor hatte er sie zu Untertanen erklärt und auch Worte der Unterwerfung erhalten.

Abb. 15 Die Syburgseite des Berichtes von 775, eine Ausschnittübersetzung und die Zeilen mit den Burgnamen

Doch schon im folgenden Jahr 776 erhoben sich erneut die Sachsen und verjagten die Franken von der Eresburg. Der Angriff auf die Syburg hatte dagegen keinen Erfolg. Die Sturmtruppen wurden selbst bis zur Lippe zurückgeschlagen. Zur alten Überlieferung gehört dazu die Sage von dem furchterregenden Flammenschild über der Sigiburg.

Wieder brach Karl zu einem Feldzug auf. Als sich daraufhin bei den Abmachungen von Lippspringe große Teile des sächsischen Adels zum Gehorsam verpflichteten, verlangte der König auch die Bereitschaft zur christlichen Taufe. Darin sah er eine bessere Gewähr, daß die Versprechungen eingehalten würden. Außerdem forderte er ihr Grundeigentum als Pfand für ihren Gehorsam. Unter allen sächsischen Ständen ließ der Adel schon vorher eine Neigung zur christlichen Religion erkennen. Und tatsächlich fanden sich große Scharen sächsischer Familien zur Taufe an der Karlsburg ein, deren Standort vielleicht im Paderborner Raum gewesen ist. Planmäßige Missionierungsarbeit nahm nun ihren Anfang.

Angesichts des Fortschritts berief der Frankenkönig die alljährlich stattfindende Reichsversammlung für das folgende Jahr 777 nach Paderborn ein, - erstmalig ins Land der Sachsen. Diese waren auch eingeladen und nahmen teil. Ebenso wurden die Reichsversammlungen von 780 und 782 auf sächsischem Boden durchgeführt, beide Mal an den Lippequellen (Lippspringe). Dort hat Karl für das ganze Land eine Verwaltung nach fränkischem Muster eingeführt. An die Spitze eines jeden Gaues wurde ein Graf gestellt, der dem König verantwortlich war. Den Grafen unterstanden die Verwaltung, das hohe Gericht und das Heer. Auf heftige Empörung waren die Pflicht zur Heeresfolge und das harte Standrecht gestoßen, das viele Handlungen gegen staatliche und kirchliche Vorschriften mit dem Tode bestrafte. Auch die Besteuerung zugunsten der Kirche konnte gewiss keine Begeisterung erzeugen. Die regte sich eher bei dem Gedanken an Aufstand, insbesondere bei den Freien und Abhängigen (Liten). Diese beiden Stände hatten von der fränkischen Herrschaft größere Einbußen ihrer bisherigen Rechte zu erwarten als der Adel. Verboten war auch die Volksversammlung.
In den Jahren zwischen den drei Reichsversammlungen hat König Karl sein Heer nach Norditalien und nach Spanien geführt, um dort seine Machtstellung zu festigen. Die heidnischen Sachsen scheinen sich Karls Abwesenheit herbeigewünscht zu haben - und einen starken Mann an ihre Spitze.

Denn besonders diese Jahre gehörten hier oben nicht der friedlichen Anpassung. Sächsischen Aufruhr und verheerende Überfälle weit bis ins fränkische Land hinein hatte wiederum der Mann angeführt, der als einziger der sächsischen Großen allen Reichsversammlungen ferngeblieben war. Es war der mitreißende und schlaue Herzog Widukind, den die Sage als den „unbeugsamen Wittekind" späteren Jahrhunderten überliefert hat (Abb. 16).

Er hatte in den Jahren der bittersten Kämpfe die Führung eines Krieges in die Hand genommen, der im ganzen über dreißig Jahre dauern sollte. In der Schlacht am Süntelgebirge im Mindener Raum brachte er 782 den Franken eine schreckliche Niederlage bei. Noch schrecklicher ist die Erinnerung an das Verdener Strafgericht des Königs, der daraufhin 4500 Sachsenkrieger hinrichten ließ. In den nächsten drei Jahren folgten verheerende fränkische Feldzüge bis an die Elbe, doch auch noch wechselndes Schlachtenglück.

Das Jahr 785 sah wieder eine Reichsversammlung in Paderborn. Nun war die eigentliche Entscheidung gefallen. Der aller Hoffnungen auf einen Endsieg beraubte Herzog gab auf und war bereit, Christ zu werden. Zu Weihnachten ließ er sich taufen.

Dieses Ereignis veranlasste den Papst, auf Wunsch des Königs ein dreitägiges Dankfest der ganzen Christenheit anzuordnen!


Abb. 16: Wittekind-Brunnen in Herford

 

4. Der Reichshof Westhofen bis 1300

Syburg und Westhofen, zwei Schwerpunkte einer kirchlichen und politischen Einheit.

Die mittelalterliche Geschichte Westfalens hat mit der fränkischen Eroberung des Sachsenlandes und der Einführung des Christentums begonnen. Während vorwiegend im Gebiet der Unterelbe noch hin und wieder Aufruhr entstand, setzte zwischen Ruhr und Lippe die Erschließung des Landes ein. So ließ der Frankenkönig 784/785 den Ausbau des wichtigen Hellweges von Duisburg über Dortmund und Soest nach Paderborn beginnen. Eifrige Missionsarbeit und kirchliche Organisation ließen in der westlichen Hälfte Sachsens die Bistümer Minden, Münster, Osnabrück und Paderborn entstehen. Das Land südlich der Lippe wurde dem Bistum Köln angeschlossen. Die genannten Bistümer, außer Paderborn, unterstanden auch Köln, das 795 Erzbistum geworden ist. Das Bistum Paderborn gehörte zu Mainz.

In Westfalen flackerte 796 der letzte Widerstand nördlich der mittleren Lippe auf. Ein Jahr danach waren bei der Reichsversammlung zu Aachen Abgesandte der sächsischen Gaue beteiligt. Dort wurde ein Sachsenrecht geschaffen, das erheblich milder war als das harte Standrecht des Ergebenheitsvertrages von 782. Zur Festigung der neuen Ordnung ließ Karl jedoch einen Austausch von Bevölkerungsteilen vornehmen. So sollen 10000 Sachsen an den Main gezogen sein und ebenso viele Franken nach hier. In seiner Heimat hat sich das Volk der Sachsen eine Eigenständigkeit in Sprache, Sitte und Rechtsempfinden bewahrt. Das alte noch ungeschriebene Volksrecht der Sachsen, die ein schriftloses Volk waren, ist damals wie ein Vermächtnis aufgezeichnet worden (Sachsenspiegel).

Der letzte Aufstand endete im Jahre 804 an der Nordelbe. Dass mit dem Anschluss der Sachsen an das Reich die spätere Bildung des deutschen Volksstaates erst möglich wurde, gehört zu den Leistungen des Königs, ist das Verdienst Karls des Großen.

Nur in der Regierungszeit dieses Königs ist es einmal geschehen, daß ein Papst westfälischen Boden betreten hat. Im Jahre 799 empfing Karl in Paderborn den in Rom bekämpften Papst Leo III., dessen Herrschaft er kraftvoll unterstützte. Und 800 - am Weihnachtstage in Rom - erhielt der König die Kaiserkrone aus der Hand des Papstes.

Zu den Neugründungen jener Zeit gehören die „Reichshöfe" des Königs. Sie waren geschlossene Bereiche, in denen ungefähr dreißig Bauernhöfe zusammengefasst sein konnten. Gut zugänglich und planmäßig eingerichtet hatten sie als königlicher Besitz die wirtschaftliche Aufgabe, Güter für Hofhaltung und Verwaltung zu erzeugen. Die Einhaltung besorgte stets der Hofes-Schulte auf dem Oberhof. Für vorhandene Burgen hatten die Hofesleute die Verteidiger zu stellen, ebenso den militärischen Schutz der Straßen. Auch die Instandhaltung der Fernstraßen, der Heerwege, gehörte zu ihren Pflichten. Deshalb waren immer Reichshöfe in der Nähe dieser Straßen. In auffälliger Weise aneinandergereiht ist solcher Reichsbesitz an dem hochbedeutenden Hellweg nachgewiesen, der unserem Heimatgebiet zwischen Lippe und Ruhr bis heute mit Recht seinen Namen gibt. Um Dortmund, selbst ein Königshof, häuften sich mehrere Reichshöfe. Einer war der „Kaiserlich freie Reichshof" Westhofen.
In diesem wohldurchdachten System umfasste der Reichshof Westhoven das Gebiet Syburgs, Westhofens, Holzens, Wandhofens und Garenfelds (Abb. 17). Der Ursprung alter Ortsnamen mit der Endung ,,-hoven" gilt als fränkisch und als kennzeichnend für die „Karolingerzeit" seit Karl dem Großen. Träger des Namens Westhoven waren zugleich der gesamte Reichshof und auch sein späterer Schwerpunkt, unser Heimatort, der von den anderen vier Bauernschaften umrahmt wurde.
Zwei Straßen, von Köln zur Soester Börde und von Dortmund nach Hohenlimburg, führten durch das Gebiet unseres Reichshofes: der Hellweg und der Königsweg mit dem Limburger Weg. Entsprechend den Aufgaben aller Königshöfe hatten die Bewohner diese Wegekreuzung mit dem Ruhrübergang militärisch zu schützen und Güter für Hofhaltung und Verwaltung zu erzeugen. Die Teilnahme an einem Heeresaufgebot nach Italien, begleitet von einem Heerwagen des Wandhofener Lyndinckhofs („Fahnengut"), deutet auf die Verpflichtung, mit Leib und Gut zu dienen.

Nach der Eroberung Syburgs hatte der König dort im Burggelände eine Kirche bauen lassen. Die bereits im Jahre 776 erwähnte Syburger Kirche war die älteste unserer weiteren Umgebung. Die Pfarrgemeinde dieser St. Petrus-Kirche umfasste längere Zeit auch das außerhalb des Reichshofes liegende Berchum. Zu den 10000 von Karl nach Westfalen umgesiedelten Franken können die gehört haben, welche im Jahre 804 in Westhofen „bei Syburg" eine Kapelle errichtet haben sollen („Hi Capellam S. Aegidii prope Syburg ad Ruram aedificaverunt").

Im Jahre 1169 wuchs in Syburg ein Neubau empor. Sein stolzer Turm sollte bis heute ein Zeuge für acht Jahrhunderte werden. Unter der Nordostspitze der alten Vorburg wurde der Petersbrunnen von Wallfahrern verehrt.

Zu den Kapellen in Berchum und Westhofen gab es auch je eine Vikarstelle, dem Pfarrer untergeordnet. Berchum wurde ziemlich früh eine selbständige Pfarrgemeinde. Die Pfarrgemeinde Syburg, zu der innerhalb des Reichshofes in jedem Falle Westhofen und Garenfeld gehörten, war ein Teil des Dekanates Wattenscheid. Dieses lag im Archidiakonat des Kölner Dompropstes und damit im Erzbistum Köln. Die Syburger Kirche stand zwar auf Reichsgebiet, geriet aber später unter das Patronat des Altenaer Grafenhauses. Das damit verbundene Recht, die Pfarrer einzusetzen (Collationsrecht) behielt im 13. Jh. dessen Limburger Zweig.

Erfahrene Franken bauten wahrscheinlich auch die erste Handwerkersiedlung. Sie lag am Hang des Ebberges nahe bei Kückshausen. Ein Bronzeschmelzofen, fränkische Keramikscherben, tausendjährige Schmelztiegel aus hartgebranntem Ton (einen zeigt Abb. 18) und ein Beschlagstück aus Bronze (Abb. 19) erinnern an ihre Arbeit. (Alle Originale verwahrt das Ruhrtalmuseum.) Solche Beschlagstücke dienten als Riemenverteiler. Die fränkisch-ottonische Siedlung gehört in die Zeit vom 9. bis zum 11. Jahrhundert.
Die Verwaltung und die „niedere Gerichtsbarkeit" besorgte der Schulte, der seinen Sitz auf dem Oberhof in Syburg hatte. Die höhere Rechtssprechung des Vogtes haben spätestens im 13. Jh. die vom Altenaer Grafenhaus abstammenden Grafen von der Mark besessen, ihre Limburger Vettern dagegen das Freigericht über Eigengutverkäufe und Regelungen der hohen Jagd.

Abb. 18 (ca. 7,5 cm hoch)

Abb.19 (ca. 5,5 cm hoch)

 

Die Rechte der Reichsleute (Reichshofleute) mit erblichem Besitz an reichseigenen Höfen betrafen die Nutzung des Reichsmark-Waldes und das Treiben des Viehs auf die Gemeindeweiden nahe der Ruhr. Die Garenfelder nutzten ihre eigene Mark und ihre Hofe waren nicht reichseigen.

Ihre rechtliche Sonderstellung lassen eine Siedlung vermuten, die schon vor der Reichshofgründung bestanden hat.

Die Familie des Oberhofs in Syburg gehörte inzwischen dem Adelsstand an und bewohnte unter dem Namen „von Syberg" die um 1100 erbaute Ritterburg (Abb. 20). Sie trug das Wappen der Syburger Burgmannschaft: ein goldenes Rad auf schwarzem Grund (Abb. 21).

Abb. 20 (Rekonstruktionszeichnung)

 

An die unmittelbare Reichszugehörigkeit erinnerte der Adler des „Heiligen Reiches" (Abb. 22), der auf verschiedenen Westhofener Siegeln späterer Zeit erscheint, wobei jede Seite stets sieben Schwingen hat.

Abb. 21

Abb. 22

 

Die Entwicklung des Reiches fand selbstverständlich ihren Niederschlag auch in den Reichshöfen. Das Reich Karls des Großen war der Erbteilung unterworfen worden. Doch schon ein Jahrhundert nach des Kaisers Tod wurde ein Mann sächsischer Herkunft zum König des östlichen Reichsteiles gewählt. Die Entwicklung zum deutschen Reich war nun entschieden. Heinrich und sein Sohn, Kaiser Otto der Große, standen am Anfang der hundertjährigen Herrschaft des sächsischen Kaiserhauses der „Ottonen". Sie haben ihr Reich nach außen und nach innen kraftvoll verteidigt. Doch
dann folgten Jahrhunderte großer Schwächung, gemildert durch glanzvolle Stauferherrschaft. Die Auseinandersetzungen mit Päpsten und Fürsten kosteten zuviel Kraft. Vier Jahrhunderte nach Karl dem Großen beklagte man die „kaiserlose schreckliche Zeit".

Besonders im Zusammenhang mit Königswahlen war Reichsbesitz wiederholt Verpfändungen ausgesetzt. So erging es auch den Reichshöfen, die dem Reichshof Dortmund benachbart lagen: Brackel, Westhofen und Elmenhorst. Durch Verpfändungen gerieten sie abwechselnd unter die Pfandherrschaften zweier Landesfürstentümer, nämlich denen der Erzbischöfe von Köln und der Grafen von Altena-Mark. Angesichts der geschwächten Reichsgewalt strebten die deutschen Fürsten danach, ihre Staatsflächen zu vergrößern.
Eine der ältesten gesicherten Urkunden, die den Namen „Westhoven" enthält, ist im Jahre 1255 geschrieben worden (Abb. 23). Durch sie vermachte der Graf von der Mark regelmäßige Einkünfte aus dem Reichshof Westhofen als Geschenk. Das beweist, daß er zu der Zeit diesen Hof, der lateinisch „curtis" genannt wird, unter seine Herrschaft genommen hatte. Die Märker mußten ihn später wieder an die Erzbischöfe von Köln verlieren, die zusätzlich ihre herzogliche Überlegenheit betonen mochten. Doch den Grafen sollte es noch gelingen, am Ende Sieger zu bleiben.
Die Reichshofleute haben großen Schaden in der märkisch-limburgischen Fehde erlitten, die um 1226 begann. Sie war ein Erbfolgekrieg nach der Hinrichtung des Isenberger Vetters, der 1225 den Kölner Erzbischof ermordet hatte. Als Reaktion auf diesen Bischofsmord durch einen Verwandten haben die Altenaer Grafen sich fortan nach ihrer an der Lippe gebauten Burg „Mark" genannt. Westhofen und Schwerte waren bis zu dem märkischen Sieg im Ruhrfeld (nahe Villigst, ca. 1230) die Opfer limburgischer Brandstifter.
Trotzdem haben die Herren der Syburg ihre Hoffnung weiter auf die limburgische Seite gesetzt. Als die Truppen des Grafen von der Mark im Jahre 1288 die Burg Volmarstein - bedrohlich von Köln beherrscht - zerstört hatten, stürmten sie bald auch die Syburg und vertrieben ihre Ritter.

Abb. 23

Mit diesem Ereignis waren die Weichen für Änderungen gestellt. Der märkische Einfluss war gewachsen und die Ämter des Reichshofes waren neu zu vergeben.

 

 

5. Der Reichshof Westhofen nach 1300

Herrschaft und Verwaltung

Im Jahre 1300 fällte ein Schiedsgericht ein weitgehend unentschiedenes Urteil (Abb. 24, Ausschnitt) über die Zugehörigkeit des Reichshofes Westhofen unter die Pfandherrschaft der Grafschaft Mark oder des Erzbistums Köln als weltliche Macht.

Abb. 24

Nachdem König Albrecht I. (von Habsburg) diesen Schiedsspruch im Jahre 1301 zugunsten des Märkers abgewandelt hatte, gelang den Grafen von der Mark die Einverleibung Westhofens in ihren Machtbereich.

Graf Eberhard II. bestätigte den Reichsleuten ihre kaiserlichen Freiheiten. Seinem Sohn, dem Grafen Engelbert II., halfen sie bei der Zerstörung der kölnischen Burg Volmarstein („Volmestein") im Jahre 1324. Mit diesem militärischen Erfolg wird einer schriftlichen Überlieferung nach die Errichtung einer mit Privilegien ausgestatteten „Freyheit" im Schwerpunkt des Reichshofes begründet.
In jener Zeit galt allgemein, daß die Landesherren sich um eine Abrundung ihrer bisher zersplitterten Machtbereiche zu geschlossenen Flächenstaaten bemühten. Offiziell blieb der Reichshof ein Pfand des Reiches, tatsächlich wurde er zunehmend Eigentum des märkischen Einzelstaates, der sich damals zwischen Bochum, dem Lippeknie und Plettenberg erstreckte.
Er wurde nach 1300 in die märkische Amtsverfassung eingereiht. Oberhof des Schulzen wurde jetzt die Burg Wetter, der Verwaltungssitz des märkischen Drosten, der zugleich „Amtmann und Schulze über den Reichshof Westhoven" genannt wurde. Zum Schulzenamt gehörte - wie vorher - die niedere Rechtssprechung, die Regelung des Steuerwesens („Gefälle") und die Verwaltung.
Den Schutz des Reichshofes übernahm in den nächsten Jahren die Burg Hörde, zu deren Bau (1299 erwähnt) Steine der zerstörten Syberger Burg verwendet worden sein sollen. Später übernahm die Burg Wetter auch diese Aufgabe. Ihren Burgmannen wurden für die Schutzherrschaft Einkünfte des Reichshofes verschrieben. Trotzdem ernannte der Landesherr noch im Jahre 1496 Gerit Spee zum Burggrafen der zerstörten Syburg.

Abb. 25

Die erste deutschsprachige Urkunde über Westhofen ist die eines Richters von 1357 (Abb. 25). Am Ende dieses Jh. erhielt der Reichshof Westhofen wieder einen ortsansässigen hauptamtlichen Richter, 1387 war es Johan Brower. Damit geschah eine Aufteilung der bisherigen Aufgaben des Drosten zu Wetter. 1428 schied der Reichshof Westhofen aus dem Amt Wetter aus und wurde unter dem märkischen Amt Hörde in die Renteiverfassung eingegliedert. Zugleich wurde einer der größten Höfe der Freiheit, der „Velthusenhof", zur Stätte des Hofesgerichts und des jährlich einmal stattfindenden Kluhtengerichtes bestimmt.


Damit hatte - zum erstenmal nachgewiesen - ein Hof in Westhofen die Aufgaben eines Oberhofes für den ganzen Reichshof übernommen. Dort war der Sammelplatz der Gefälle, und ein provisorisches Gefängnis gehörte anscheinend dazu.

Seit 1400 entschied ein einzelner Richter aus Westhofen oder Schwerte über die Angelegenheiten beider Gerichtsbezirke. 1461 wurden diese zu einem Bezirk zusammengefasst. Um 1700 war Haus Villigst Amtssitz eines Drosten.
Seit 1392 waren die Grafen von Cleve aus dem Stamme der Grafen von der Mark Herren der Grafschaft und Westhofens, sie wurden seit 1417 Herzöge von Cleve und Grafen von der Mark genannt. Als der letzte Landesherr dieses Stammes im Jahre 1609 starb, geriet die Grafschaft als Erbteil an das Herzogtum Preußen und damit an den Kurfürsten von Brandenburg. Dieses wurde 1701 zum Königreich Preußen innerhalb des vergehenden Deutschen Kaiserreiches.
Im Verband des Reichshofes bildete der Hofesrichter die Spitze. Der Landesherr und die Erben wählten ihn gemeinsam aus der Zahl der Erben. Er hatte über Liegenschaften, Erbfolgen, Verkäufe und die Aufnahme neuer Hofesleute zu entscheiden, später auch über Verlehnungen von Reichshufen. Die Aufgaben des „Holtrichters" oder Markenrichters wurden zugleich vom Hofesrichter übernommen. Das Holzgericht wachte über die Einhaltung der Ordnung in der Mark des Reichshofes. „Schernen" wachten über Recht und Schutz der Mark als Stützen und Einschränkung des Hofesrichters. Sie waren angesehene Erben aus der Markgenossenschaft - meistens 6. Ab 1540 übernahmen 4 Holtknechte deren Aufgaben, 2 stellte der Landesherr und 2 die Erben. Ein Schreiber und ein Frone des Reichshofes mit Polizeiaufgaben standen dem Richter zur Seite. Einen besonderen Aufgabenbereich behandelte das „Kluhtengericht". Dieses wurde bis zum 16. Jh. jährlich am 9. September abgehalten. Es kontrollierte den Zustand der Höfe, der Grenzpfähle und Landwehren sowie die Besitzwechsel. Den Vorsitz hatte erblich stets der Besitzer des Velthusenhofes. Er wurde „Hovesrath" genannt und bewahrte das Siegel des Reichshofes und die Protokolle.
Garenfeld hatte für seine Mark einen eigenen Holtrichter und 6 Schernen. Ein Freistuhl der alten Limburger Freigrafschaft wurde dort im Jahre 1504 erwähnt.
Der Graf von der Mark bestätigte als oberster Hofesherr die durch das Hofesgericht zuerkannten Strafen. Die höchste im Reichshof verhängte Strafe war der Pranger („Kaak"). Der Beherbergungsverpflichtung hatte der Syburger Pfarrhof nachzukommen. Im 16. Jh. ging sie auf den Westhofener Dykehof über.
Die Zeit vom 18. Jh. bis 1816: Unter preußischen Königen und dem französischen Kaiser, Herrschaft und Verwaltung.
Auch im 18. Jh. blieb der Reichshof Westhofen - als niemals eingelöstes kaiserliches Pfand - im Herrschaftsbereich der Könige von Preußen. Die zuständige Regierung hatte ihren Sitz in Kleve.
Das Jahr 1803 brachte nach dem Verlust Kleves an Frankreich die Entschädigung Preußens mit Teilen der geistlichen Fürstentümer Münster und Paderborn. Die Stadt Münster wurde Regierungssitz und die Kriegs- und Domänenkammer wurde nach Hamm verlegt.
Kaiser Franz II. legte im Jahre 1806 - von Napoleon gezwungen - die deutsche Kaiserkrone nieder.
Napoleons Kriegserfolge führten schon 1807 Westhofen mit der Grafschaft Mark zum neu gebildeten Großherzogtum Berg. Großherzog Joachim Murat residierte glanzvoll in Düsseldorf, bevor Frankreichs Kaiser (seit 1808) dieses Land selbst regierte. Nach der Niederlage der französischen Armee (1813) gelangte unser Gebiet zum preußischen „Gouvernement zwischen Weser und Rhein", dann zur 1815 neu gebildeten Provinz Westfalen.
Der Reichshof Westhofen hat seine Sonderstellung anscheinend über das 17. Jh. hinaus nicht bewahren können, - ausgenommen die Reichsmark. Gerichtlich als Teil des Amtes Schwerte, gehörte er mit diesem weiter zur Rentei Hörde.
Friedrich der Große beseitigte 1753 die Ämterverfassung in der Grafschaft Mark und bildete 4 Kreise. Somit wurde Hamm Westhofens Kreisstadt. Zugleich wurde das Gericht zu Unna zuständig. 1811 jedoch das Friedensgericht zu Hörde. Die Organisation von 1815 gab Schwerte ein eigenes Gericht.
Im Jahre 1806 ist der Reichshof Westhofen aufgelöst worden.
Unter Napoleon bildeten die Stadt und das Gebiet der Landkirchengemeinde Schwede (d.h. Villigst, Geisecke, Lichtendorf und Overberge) zusammen mit dem bisherigen Reichshof Westhofen die „Municipalität" Schwede (oder auch „Mairie"). Seit 1813 wieder preußisch, wurde diese Bürgermeisterei des Ruhrtals 1816 dem Kreis Dortmund angeschlossen.
Die Gruppen der Einwohner im Reichshof, ihre Rechte und Pflichten, bedeutende Höfe, die Wirtschaftsordnung.
Die Besitzer der Höfe waren ursprünglich bäuerliche Erben. Pächter („Colonen") wurden im 15. Jh. zahlreicher, als nichtbäuerliche Besitzer und Auswärtige („Butenleute") viele Höfe übernahmen. Kötter besaßen kleinere Parzellen. Einige große Höfe wurden erweitert und entwickelten sich zu Rittersitzen: Husen, Kückshausen, Steinhausen, Wanthoff und Ruhr. Die Namen alter Besitzer waren: von Husen, von Nagel zu Steinhausen, von Wanthoff, von Neyhem zu Haus Ruhr. Es ist anzunehmen, daß deren Vorgänger im Hofbesitz als „Ministeriale" zum Burgdienst in Syburg und zum Heeresdienst für den Kaiser verpflichtet gewesen waren. Die Gewalt der Hofesrichter über sie schwand entsprechend ihrem Aufstieg, die bäuerlichen Lasten waren abgestreift worden.
Die Höfe der Familie von Spicker lagen innerhalb der Freiheit und ihrer Feldmark. Den Namen der Adelsfamilie „in dem Spyker" findet man wiederholt nach 1400 unter den Richtern zu Westhofen und Schwerte. Auch ein Familienzweig derer von Syberg hat einen Westhofener Hof zu ihrem Sitz gemacht, nämlich den Komplex, der später Nettmanns, Weibergs und dann Fritzenkötters gehört hat.


Der Oberhof des Reichshofes, der Westhofener Velthusenhof, wurde am Ende des 16. Jh. zersplittert. Weil das „Kluhtengericht" an diesen Hof gebunden war, wurde Jürgen Velthaus nach dem Herrschaftsantritt Brandenburg-Preußens zwar als Vorsitzender und „Hovesrath" vereidigt, doch das Amt wurde danach durch die Obrigkeit abgeschafft. Velthaus hat damals die alten Rechte niedergeschrieben und wurde Westhofens erster Chronist.

Von den Garenfelder Höfen hoben sich 4 heraus: das „St. Peters-Gut" der Kirche, der Borghof, der Hof des Freistuhles und der Lennhof. Auf dem Kirchengut wurden die „Gefälle" für die Syburger Peterskirche gesammelt. Hier stand der Kornkasten mit dem „Vrogscheppel". Auf dem Borghof wurde der Schlüssel des südlichen Schlagbaumes aufbewahrt. Er war auch der Platz des Sendstuhles für den Grafen von Limburg. Der Hof des Freigerichtes war vermutlich der Woirdhof. Beim Lennhof lag die Aufgabe, den Schlagbaum der über die Brücke führenden Heerstraße zu schließen. Bestätigungen und Erweiterungen der Rechte der Reichshofleute fanden 1323 und 1352 auf dem Lennhofe statt. Im Auftrage des Grafen von der Mark verhandelte dort der Droste zu Wetter. Im Jahre 1337 waren solche Verhandlungen auf der Burg Wetter, dem damaligen Oberhof des Reichshofes Westhofen. Im 17. Jh. wurde dem Reichshof nicht selten der Name „Holthausen" gegeben, und bei internen Zusammenkünften tagte man auf einem der Holzener Höfe.

An Abgabe- und Dienstverpflichtungen der Hofesleute gegenüber dem obersten Hof gab es die „Maibede", die „Herbstbede", den „Heerschilling", das „Hundelager", die Lieferung von Hühnern, Schweinen, Getreide und Eiern, außerdem den Dienst für den Drosten, den Richter und den Fronen sowie Notdienst an Brücken und Mühlen. Der Abt von Deutz bekam den „Zehnten". Garenfeld leistete keine Reichshofzahlungen, sondern die allgemeine Landsteuer. Doch allen Höfen gemeinsam war die Entrichtung der „Gefälle" an die Peterskirche zu Syburg, die auf dem Kirchengut in Garenfeld gesammelt wurde.

Eine Besonderheit der Reichshöfe waren „Heergewedde" und „Gerade" - die Abgabe von Gebrauchsgegenständen an einen Nachkommen oder Nächstverwandten der männlichen oder der weiblichen Seite im Falle eines Todes. Auswärtige Ehepartner wurden durch den Hofesrichter und die Schemen zu Reichsrecht aufgenommen. Jede Reichshufe durfte nur eine Wohnstätte tragen. Witwerwohnungen wurden nach dem Tode abgebrochen.

Die Grenzen des Reichshofes umfassten einschließlich der Reichsmark ein Gebiet von 36 Quadratkilometern. Eine Zählung ergab einmal 391/2 Hufen und 15 Doppelhufen. Zu einer Hufe (Hof) gehörten etwa 30 Morgen.
Der Lebensnerv des Reichshofes war die Reichsmark. Der Landesherr und die Westhofener Markgenossen nahmen je die Hälfte ihres Ertrages und die Hälfte der Ruhrfischerei in Anspruch. Zur Markgenossenschaft gehörten die Erben, die Besitzer von Landlosen und die Kötter. Die Reichshofbesitzer hatten das Recht zum Torfstechen, zur Hude, Eichelmast, Laub- und Grasnutzung, zur Nutzung von Teichen und Wiesen und zum Schlagen von Brand- und Bauholz. Scharbeile zur Bestimmung der zu fällenden Bäume wurden in der Westhofener Kapelle in einer Kiste aufbewahrt, daneben das Brandeisen für die Kennzeichnung der Schweine vor dem Eintreiben zur Eichelnutzung. Einen Schlüssel dazu hatte ein Erbe, den zweiten der Rentmeister in Horde. Die Zuweisung von Bau- und Großholz nahmen die Schemen vor, seit 1540 die Holtknechte. Diese Zuweisung sollte zweimal im Jahr erfolgen: an St. Veit (15. Juni) und Petri ad cathedram (22. Febr.). Die Mark lieferte auch das Holz zum Brücken- und Straßenbau.

Das Holtgericht („Holting") wachte über die Einhaltung der Ordnungsregeln in der Mark. Es fand jährlich meistens am 2. Mai auf dem Wandhofener Kreienberg statt, wenige Tage später schloss sich ein allgemeiner Umzug um die Reichsmark an. Die Ankündigung des Holtgerichts erfolgte vorher in der Kirche.

Im 15. Jh. begann der Niedergang der Mark infolge von Raubbau und lückenhafter Aufforstung. In die Schuld teilten sich Landesherren und Erben. Die Landesherren strebten eine Umwandlung der Pfandherrschaft über die Reichshöfe in Eigentum an, die auch die Mark betraf. Sie beanspruchten zunehmend für sich das Recht, die Holt- und Hofesrichter allein einzusetzen. Die Markenordnungen von 1519,1540,1563 und 1566 sollten den Bestand sicherstellen. Sie waren oft das Ergebnis zäher Verhandlungen, in denen die Westhofener Erben um ihre Rechte kämpften, - mit geringem Erfolg.
In der Garenfelder Eigenmark hatte der Landesherr keine Nutzungsrechte. Diese Bauerschaft hatte an der Lenne eine eigene Wassermühle und eine zweite in der „Molle".

Im Jahre 1685 vermachte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg („der Große") als Landesherr seine Hälfte der Reichsmark den 4 adligen Häusern des Reichshofes.

Hinter dem Dorf Syberg auf der Reichsmark durfte seit 1582 der Schwerter Richter Mathys Beckers entsprechend einer Erlaubnis der Regierung in Kleve in einem Kohlenbergwerk arbeiten lassen. Bei Gelingen sollte der den „Zehnten" entrichten. Es war eines der frühen Zeichen des Wirtschaftszweiges, der in unserer Heimat reiche Ernte bringen sollte.

Die Wirtschaft des Reichshofes im 18. Jh. und den folgenden Jahrzehnten: Markenteilungen, Sandsteinbrüche und Kohleförderung, das Mühlenwesen.

In der Zeit um 1727 hatte die Reichsmark noch eine Größe von 11,7qkm. Gegen 1760 wurde eine Hälfte wieder den Hufeninhabern zugeteilt, die andere Hälfte überließ das Königreich weiterhin - wie seit 1685 - den 4 adligen Häusern in Erbpacht (gegen Erbzins). Eine Hälfte entsprach damals 1200 Morgen. (1727 entsprach die Gesamtgröße 1438 „holländische Morgen" und 358 Ruten.) Aus den Jahren vor 1800 ist das Amt eines „Holzrichters" noch überliefert. Am 22. Februar 1806 wurde die Teilung der Reichsmark zustande gebracht, an der auch die Freiheit beteiligt war. Die Anteile wurden so vergeben, daß Bürger ohne Hofrecht eine Fläche entsprechend einem halben Hofrecht erhielten, nämlich 9 „Magdeburger Morgen". Bei der Teilung des Spieks (1809) bekamen solche Bürger 1 Kuhweiderecht, eine ganze Hufe dagegen 2 Kuhweiderechte.

 

Abb. 26

Die Sandsteinbrüche lagen größtenteils im Bereich Syburgs bzw. Buchholz'. Mitten durch den Reichshof (Richtung SW nach NO) verliefen die Grubenfelder für den Kohleabbau. Im Zusammen­hang damit standen Namen wie „Hörder Grubenfeld", „Graf Wittekind", „Abendsonne", „Abergunst", „Louisenglück" (1792) und „Glücks Fortgang" (1792). Ein Markierungsstein am Ebbergnordhang zeigte beidseitig diese Jahreszahl (Abb. 26). Kohle wurde nicht für Heizungszwecke gefördert, sondern sie wurde größtenteils lenneaufwärts zu den Drahtziehereien und Schmieden bei und in Limburg gefahren. Weil die dortigen Handwerker häufig wegen Hochwassers auf die Kohle warten mußten („lauern"), gaben sie dem hiesigen Zechengebiet insgesamt den Namen „Lurbül" (Luerbüel).

Von den 4 Kornmühlen gehörten 2 zu den Rittergütern Haus Ruhr („Rettelmühle") und Haus Husen, eine neue auf Garenfelder Gebiet zu dem benachbarten Haus Busch und eine ebenfalls mit Wasserkraft getriebene Mühle in der Wanne. Die Eingesessenen benutzten häufig die Rettelmühle, sie ist damals Partikuliermühle geworden - mit Abgaben an den König. Zu Haus Ruhr gehörte auch noch eine Ölmühle auf der Westhofener Seite des Wannebachs.

 

Die Adelshäuser des Reichshofgebietes sind sehr alten Ursprungs.

Einige verraten auch heute noch einiges von ihrem früheren Zustand, die Zeichnung des verschwundenen Hauses Wanthoff stammt aus dem 17. Jh. (Abb. 27). Haus Ruhr (Abb. 28), Haus Steinhausen (Abb. 29) und Haus Husen (Abb. 30 alt) (Abb. 30 neu) sind sichtbare Zeugen unserer Geschichte.

 

Abb. 27, Haus Wanthoff

Abb. 29, Haus Steinhaus

 

 

Abb. 28, Haus Ruhr

 

Abb. 30a, Haus Husen, altes Gebäude

Abb. 30b, Haus Husen, neues Gebäude

 

 

Die „Freyheit Westhoven" in der Zeit von 1300-1723.
Nach der Eingliederung in die Grafschaft Mark ist allein Westhofen als Schwerpunkt des Reichs­hofes mit Vorrechten ausgestattet worden. Es wurde um 1324 vom Grafen Engelbert II. zur „Freyheit" erhoben, nachdem die Reichsleute dem Landesherren bei der Eroberung der Burg Volmarstein geholfen hatten. Seinen Reichsleuten wurde damit gestattet, ihren Wohnbezirk zu befestigen. Bald wurde die Westenpforte als erstes von 4 Toren gebaut. Es folgten Ostenpforte, Hohlwegspforte und Spickerspforte (Schlosspforte). Wallgräben und Mauern bildeten einen geschlossenen Ring.
Die Bürger erhielten das Recht, einen Bürgermeister und zwei Ratsleute frei zu wählen. Auch Steuern („Akzise") durften in Westhofen eingenommen werden. Der befestigten Freiheit war eine Feldmark zugeordnet, so daß die Grenzen des privilegierten Ortes („Wibbolt") ein Gebiet zwischen Steimke und „Alter Ruhr", Ackesbach und Wannebach umfassten (Abb. 31). Landwehren schlossen die Lücken zwischen den natürlichen Grenzen.

Abb. 31


Die Überlieferung schreibt glaubhaft die Gewährung der neuen Rechte unserer Freyheit dem Grafen Engelbert zu. Engelbert II. regierte von 1308 bis 1328. Die günstige Lage an Flussübergang und Straßenkreuzung konnte damals eine Entwicklung zum Marktflecken erwarten lassen. Im Jahre 1401 wurden jedenfalls geltende „alte Rechte" der Freyheit vom Landesherrn bestätigt. Ergänzungen fanden mehrmals in der ersten Hälfte des 15. Jhs. statt.
Als Einwohner traten neben die Reichshofeserben die als „Gemeinte" bezeichneten Handwerker und Krämer. Neubürger hatten den Hofeseid zu leisten. Darauf geschah die Eintragung in das Bürgerbuch. Einheiratende wurden im Beisein des Bürgermeisters empfangen, der am Morgen nach der Hochzeit auch die „Morgensprache" über das Hofesrecht vornahm.
Die Freiheit Westhofen hatte einen eigenen Gerichtstag, an dem alle Einwohner zu erscheinen hatten. Auch hier hatte der Richter des Reichshofes den Vorsitz. Als Rechtsautorität stand er über dem Bürgermeister und war zuständig für alle Klagen, über welche dieser nicht hinreichend entscheiden konnte. Der Bürgermeister behandelte zunächst die Klagen und Streitigkeiten innerhalb der Freiheit. Als höchste Geldstrafe konnte er die 4-Stüber-Buße verhängen. Die Bürger wählten stets den Erben eines Hofes zum Bürgermeister, häufig für 2 Jahre, in späterer Zeit (um 1700) anscheinend auch angesehene und fähige Männer der Gemeinte. Der Tag der Abrechnung und der Neuwahl war der 22. Februar („Sankt Petri Stuhlfeier"). Die beiden Ratsleute wurden aus den Erben und der Gemeinte gewählt. Auch ein Freiheitsschreiber und ein Freiheitsfrone standen zur Verfügung.

Abb. 32

Die Landwirtschaft bildete den Schwerpunkt des Erwerbslebens. Seit 1430 durfte die Freiheit an jedem Dienstag einen Wochenmarkt abhalten (siehe Anm.). Für jene Blütezeit sind auch Beziehungen zum Handel der Hanse bezeugt, die bis Danzig und Reval reichten. Ansätze zu einer Steinbruchindustrie lässt im Jahre 1440 die Lieferung Westhofener Sandsteine für den Bau eines Springbrunnens in Unna erkennen. Alte Vorschriften berichten über Bierbrauen, Bierhandel und Brotgewichte. Aus welchen „Siegburger" Henkeltassen die Westhofener um 1400 ihre Milch tranken, zeigt Abb. 32.

 

Die Verteidigung der Freiheit war Aufgabe der Bürger. Hilfe leistete das Aufgebot des Drosten zu Schwerte. Kriege, Brände und Krankheiten brachten große Rückschläge: 1349 brach die Pest aus, 1374 geschah die Verbrennung durch die Truppen des Bischofs und Landesherrn von Münster, 1424 erlebte die Freiheit den Aufenthalt bergischer Söldner. 1458 durchbrach die Ruhr ihr Ufer und grub sich mit ihrer nach monatelangem Schneefall entstandenen Wasserflut weiter nördlich ihren heutigen Kurs. Das Jahr 1598 brachte spanische Soldaten und einen Großbrand von 85 Häusern, außerdem die Pest. Im Dreißigjährigen Krieg gab es Ausplünderung und die Pest des Jahres 1636. Ein Großbrand war 1708, der nächste Brand im Jahre 1722.

Die Freyheit Westhofen hatte 1645/46 etwa 600 Reichstaler an Kriegssteuern (Contributionen) aufzubringen, - bei 770 Reichstalern Gesamtausgaben.
Später als die erwähnten vier Tore war als fünftes die „neue" Niederste Pforte gebaut worden, welche die Freiheit nahe der Kirche schloss. Der „Pulverturm" beim „Graben" trug die Jahreszahl 1710. Der Kirchturm steht seit 1709, er hat den 1708 durch das Feuer zerstörten Turm abgelöst. In der Nähe des Steinbecks-Siepens, der nördlichen Westhofener Begrenzung, hatte der Reichshof ein „Melaten-Huyß" (Haus für unheilbar Kranke).
Anm.: Nachdem „Verbesserten und Alten Kalender, auf das Jahr Christi 1773", herausgegeben mit Genehmhaltung der von Sr. Königl. Maj. in Preußen in Dero Residenz Berlin gestifteten Academie der Wissenschaften ist in dem anhängenden Verzeichnis derer in denen vornehmsten Städten des westfälischen Kreises, auch benachbarten ansehnlichen Orten, bekannte Kram-, Pferde- und Viehmärkte aufgeführt: Westhofen, 1 Dienstag nach Judica, 2 den Montag nach dem 10. Oktober - Vieh- und Krammarkt.

40 Steuerzahler lebten im Jahre 1486 in der Freiheit. 1598 standen hier 96 Wohnhäuser, nach dem Großbrand waren nur 11 unbeschädigt. Um 1719-1722 wohnten innerhalb der Mauern 474 Personen in 105 Häusern, zur Hälfte Erwachsene - darunter 11 Knechte und 18 Mägde. An Handwerkern gab es 7 Wollenweber, 6 Schuhmacher, 5 Schmiede, 3 Schneider, 6 Leineweber, 2 Hammenmacher (Geschirrmacher) und 1 Radmacher. Es wurden 8 Braustellen und 8 Branntweinblasen erwähnt. Der Viehbestand war: 64 Ackerpferde, 268 Kühe, 316 Schafe und 11 Ziegen.

Später als der übrige Reichshof geriet auch die Freiheit im 17. Jh. hauptsächlich infolge des Niedergangs der Reichsmark in eine Krise. Der Kampf um die Rechte erlahmte. Doch vom Jahre 1716 sind die Worte des Bürgereides überliefert (Abb. 33), ein Zeugnis für das Gewinnen des Bürgerrechtes vor dem vielgerühmten Ofen.

Unvermindert war das Interesse an Geselligkeit, und die Schützen erinnerten sich im Jahre 1710 sehr gut an die durch Feuer vernichteten Niederschriften ihrer Rechte und Gewohnheiten (Abb. 34). Mit einem Eid bekräftigten die Westhofener Schützen, daß sie ihre Rechte seit dem Grafen Engelbert besitzen (siehe 1324). Ihr „Capitain" war damals zugleich „Kirchenältester", dessen Nachfolger ein amtierender Bürgermeister.

Abb. 33


Abb. 34 (siehe auch Anhang Seite 24)


Im Jahre 1723 wurde den Westhofener Bürgern das Recht der freien Ratswahl genommen. Zuletzt hatten 10 Ratsmänner und 3 Gemeinheitsmänner dem Bürgermeister zur Seite gestanden, der von 9 Wahlmännern aus den 3 Nachbarschaften gewählt wurde („Churherren der 3 Schichten").
Nun sollte ein Schlussstrich unter die Reihe von Namen gezogen werden, deren Träger Bürgermeister der Freiheit Westhofen gewesen sind. Urkundlich überliefert sind vom 15. Jh. bis zum Jahre 1723 folgende Namen: Johan Heetveldt, Herman Berndes, Johan der Osten, Johan Schmedt, Frederich Linthlo gnt. Lennepesel, Godert van Heck, Friedrich Vitte, Herman dar Oiste, Rotger Pütter, Herman Schwartze, Jörgen Schnetler, Goddert Nettmann, Henrich Pütter, Henrich Schwartze, Henrich Pütter d. J., Henrich Beckhaus, Rotger Veithaus, Rotger Beckers, Diederich Weffer, Herman Weyschede, Henrich Ertmann, Jürgen Westerhoff, Herman Beckhauß, Bernhardt Schnetler, Henrich Brinckman, Diederich Schnetler, Henrich Braß, Herman Weffer, Joh. Eberhardt Westendorff, Johan Goßman und Herman Pöppelmann.
Johan Goßman war zum erstenmal von 1706 bis 1707 zum Bürgermeister gewählt worden. Von 1722 bis 1723 war er der letzte im Amt. Er soll sich leidenschaftlich gegen die neuen Bestimmungen eingesetzt haben: durch einen Ritt zur preußischen Regierung in Kleve und eine Bittschrift an den König. Doch das neue „rathäusliche Reglement" wurde eingeführt, und die alten Rechte wären gewiss einen Ritt nach Berlin wert gewesen (siehe Anhang Seite 39).
Das Jahrhundert nach der Einführung der preußischen Verwaltungsvorschrift.
Nach dem Verlust der Selbstverwaltung im Jahre 1723 galt eine königliche Vorschrift für alle vor­kommenden rathäuslichen Geschäfte. Sie nennt u. a. die Aufgabe des Protokollierens, der Polizei, der Kassenverwaltung, der Pflege von Gebäuden und der Feuerwehrausrüstung. Als ordentliche Ratstage wurden Montage und Donnerstage genannt.
Die Verwaltung wurde jetzt von einem Bürgermeister, einem Sekretär, einem Ratsmann und zwei Gemeinsleuten besorgt (später gab es 2 Ratsleute). Zusammen bildeten diese von nun an den „Magistrat". Zwar sollte seit 1723 der Bürgermeister vom König ernannt werden, doch anscheinend war mit der Ernennung Henrich Wevers, eines beliebten Mannes aus alter Westhofener Familie, eine glückliche Wahl für die erste Zeit getroffen worden.
Der Kämmerer und Akzise-Inspektor (Steuer-Insp.) war zugleich Sekretär. Nun verwaltete er die Gelder aus der neuerdings „königlich" genannten Steuer. Seit 1731 gab es neue und straffe Haus­haltspläne. Die Rechnung musste, wie vorher, am 22. 2. dem Magistrat vorgelegt werden, zugleich weiterhin den 3 Deputierten der 3 Nachbarschaften („Schichte"). Die Freiheit konnte ihre Aufgabe mit eigenen Mitteln erfüllen. 1770 wurde Westhofen „Stadt und Freyheit", seit 1817 nur noch „Stadt" genannt.

Abb. 35

Auf Henrich Wever (gest. 1738) folgte der erste „zugezogene" Bürgermeister: Philipp Ludger König (gest. 1772), der bereits vorher Schwerter „Receptor" gewesen war. Dann folgte König jun. als Bürgermeister und Receptor (gest. 1780). „Gemeinheitsvorsteher" war der 1785 gestorbene Rocholl. Danach hatte (1785) Märcker das Bürgermeisteramt. 1795 übernahm es als Letzter Georg Henrich Färber.

Denn unter der französischen Herrschaft verlor die Freiheit das eigene Bürgermeisteramt. Nach den Freiheitskriegen arbeitete ein von 3 Bürgern gebildeter Westhofener Gemeinderat mit dem Schwerter Bürgermeister zusammen.

Das Rathaus am Kirchplatz trägt die Jahreszahl 1741 im Wappen der Freyheit (Abb. 35). Schon 1598 war ein Rathaus erwähnt worden, aber im 17. Jh. nur, daß z. B. eine Sitzung im Hause des Bürgermeisters Veithaus stattgefunden hatte. Die Freiheit hatte noch um 1800 ein Armenhaus und ein Hirtenhaus. Die Tore und Mauern waren verfallen, die „Freiheitsgräben" noch erkennbar.

Die Landwehren waren im 18. Jh. größtenteils nicht mehr in Ordnung. Die Ruhrbrücke wurde oft durch Eisgang gefährdet. Im Jahre 1800 wurde sie durch die Hilfe von Freiwilligen gerettet, die dafür auf jeden Lohn verzichteten, - außer Bier und Branntwein. Zur Einnahme eines geplanten Brückenzolles für Ausbesserungen war 1804 ein Brückenhaus auf Garenfelds Seite im Bau. 1770 waren 3 alte Holzspritzen, 1 neue Metallspritze und 156 Ledereimer für die Brandbekämpfung vorhanden. Jeder Neubürger musste 1 Feuereimer für sich und 1 für das Rathaus anschaffen. 61 öffentliche und private Brunnen lieferten das Wasser.

Die Ruhruferbefestigung („Kribbwerke") diente zugleich der Sicherung der Gemeindeweiden und der gleichbleibenden Flusstiefe, welche für die von ca. 1770-1860 durchgeführte Ruhrschiffahrt notwendig war, die ohnehin an der oberen der 2 Brücken, der „Kuhbrücke", große Vorsicht erforderte. Die Schiffbarmachung der Ruhr ab Langschede und der Ausbau der Landstraße von Unna nach dort ergaben sich aus dem Interesse des preußischen Staates am gesteigerten Absatz der Saline Königsborn. Getreide für den Herdecker Kornmarkt wurde auch transportiert. Fahrgäste hatten nach Tarif zu zahlen. Wenn nötig, wurden die Schiffe von auf Leinpfaden gehenden Pferden flussaufwärts gezogen.

1810 bzw. 1814 wurde, - nachdem die Freiheit den eigenen Bürgermeister verloren hatte -, das Rathaus als Schule hergerichtet. Der Anbau einer Lehrerwohnung war 1922 fertiggestellt worden. (Abb. 36).
Im Siebenjährigen Krieg kam es am 3. Juli 1761 zu einem harten Gefecht an der Westhofener Ruhrbrücke (Abb. 37). Die Alliierten (Preußen, Hessen und besonders Hannoveraner) griffen mit hierfür zusammengestellten Grenadieren und leichten Reitern die Franzosen auf deren Nachschubroute an. Die Franzosen hielten nach Verstärkung zuletzt ihre Brückenstellung. Aber durch die sehr großen Verluste waren sie zugleich Sieger und Unterlegene (siehe Anhang Seite 27).

Abb.36

 

Abb.37

Während Napoleons Krieg sind russische Baschkiren durch Westhofen marschiert, Sachsen, Braunschweiger, Russen und Schweden einquartiert und verpflegt worden. 1813 waren die ersten Befreiungstruppen Kosaken. Zwei junge Westhofener hatten als Freiwillige gekämpft, einer überlebte. Die Erfahrungen dieses Krieges führten auch in unserer Heimat zur Bildung von Kompanien aus geübten Landsturmschützen. Sie wurden von Offizieren ausgebildet, rüsteten sich selbst aus und wählten ihre Anführer.
König Friedrich II. von Preußen hat in der Wiederaufbauarbeit nach dem Siebenjährigen Krieg eine Politik der wirtschaftlichen Unabhängigkeit betrieben. Zu den konkreten Ergebnissen dieser Bestrebungen zählte vorrangig auch die erhöhte Tucherzeugung. In der Freiheit Westhofen blieb im 18. Jh. und bis in die Mitte des 19. Jh. die Wollenweberei und die Spinnerei der Hauptgewerbezweig. Auch in Heimarbeit - oft nebenberuflich - arbeiteten zahlreiche Weber für die Fabriken in Hagen und Herdecke. Anscheinend haben alle Halbfabrikate von grobem Tuch hergestellt, welche an die auswärtigen Tuchfabriken zur Fertigstellung geliefert wurden.
Soldaten, die für die Sicherung solcher Transporte oft eingesetzt wurden, sollen damals in der „Kaserne am Gräbenken" ihr Quartier gehabt haben. Seit der 2. Hälfte des 18. Jh. wurden in der Freiheit auch Ölmüller (1767) genannt, nach der Jahrhundertwende ein Kupferschmied, ein Lohgerber und ein Bäcker. Zwei Gastwirte wurden 1811 bzw. 1813 erwähnt. Haupterwerbszweig blieb die Landwirtschaft.
Im Etat erschienen im 18. Jh. neben den Ausgaben für den Bürgermeister und den „Kämmerer und Sekretär" auch die für3 Ratsmänner, 1 Ratsdiener, 1 Nachtwächter, 1 Schweinehirten, 1 Kuhhirten, 1 Schäfer, den Prediger und den Oberbrandmeister (1768). (1783 wurden 2 Brandmeister genannt.) Für 1736 ist hier ein „Doctor" nachgewiesen, aber unbekannten Berufes, 1767 aber ein Chirurg (Wundarzt).
Durch die Lasten des Siebenjährigen Krieges war die Freiheit verschuldet. Mehrere Bürger liehen ihr Geld. Zugunsten eines der Gläubiger verzichtete sie später auf einige Weiderechte jenseits der Ruhr.

 

 

Die Pfarrgemeinde Syburg-Westhoven.

Die Zeit von der Gründung bis zum Jahre 1835.

Die Pfarrgemeinde Syburg umfasste für die Dauer von 5 Jahrhunderten 3 der 5 Bauernschaften des Reichshofes und ein benachbartes Dorf: Syburg, Westhoven, Garenveld und Berchum. Holthusen und Wandhoven gehörten auch damals zur Pfarrgemeinde Schwerte (Abb. 38, Wannebachgrenze). Bevor der Reichshof politisch in die Grafschaft Mark eingegliedert worden ist, hatten sich die Herren der benachbarten Grafschaft Limburg um 1243 das Patronatsrecht über die Kirche von Syburg bewahrt: die verfeindeten Vettern blieben auf verschiedene Weise mit Land und Leuten ver­bunden.
Die Freyheit Westhoven war Sitz der St.-Antons-Vikarie mit der St.-Aegidien-Kapelle im Bereich der St.-Peterskirchezu Syburg. Dem Pfarrer zu Syburg (Syberg) unterstanden die Vikare in Westhoven (1279) und Berchem (Berchum). Bereits vor 1318 hat sich die Vikarie Berchum von Syburg gelöst und ist selbständige Pfarrgemeinde geworden. Danach sollte für beinahe 6 Jahrhunderte das Gebiet der Gemeinde unangetastet bleiben: Syburg, Westhoven und Garenfeld bildeten die kirchliche Einheit.

Abb. 38

In Syburg erlangten die Verehrung der heiligen Barbara und die Pilgerfahrten zur Petersquelle im Mittelalter große Bedeutung. In den beiden Wochen vor und nach dem St.-Markus-Tag (25. April) erlebte der Ort Prozessionen und einen Jahrmarkt mit Kirmes. Einen Ablassbrief hat Papst Gregor X. auf Begehren der Burgmannen von Syburg im Jahre 1274 erteilt. Eine kupferne Platte soll in Wort und Bild über Ver gebung und Genesung sowie über die Einweihung der Kirche und des Brunnens durch den Papst Leo III. berichtet haben, der zusammen mit König Karl abgebildet war. Doch die Kirche war bereits 776 erwähnt worden, und der Papst war erst 799 in Deutschland.
Den jährlichen „Send" (Synode) hielt der Bischof oder sein Archidiakon am 31. Oktober in Syburg ab. Sieben vereidigte einheimische Sendschöffen wurden über Verbrechen, Laster und sittliche Zustände befragt - auch Strafen auferlegt. Alte Bräuche waren hier die Hagelfeier am Tage nach Fronleichnam und das Abholen von Gaben aus Hausschlachtungen durch die Totengräber und die Schulmeister am „Simpertag" im Februar.
Um die Mitte des 16. Jh. wurde auch diese Kirchengemeinde durch die neue Lehre der Reformation angesprochen, die in vielen Fällen besonders durch junge Pfarrer und Vikare aufgegriffen wurde. Im Jahre 1549 wurde hier der Vikar beschuldigt, Grundsätze der großen Kirche abgelegt zu haben. Pfarrer Herman Veithaus war der letzte Geistliche, der sich an sie gehalten hat. Unter seinen Vorgängern waren mehrere aus einheimischen Adelsfamilien gewesen. Schon 1550 erhielt die Gemeinde ihren ersten lutherischen Pfarrer, danach den reformierten Pfarrer Dietrich Lürmann. Kirchmeister waren 1584 Herman von Sodingen und Herman Nigehaus (Neuhaus). Lürmann soll die Kupferplatte wegen der geschichtlichen und religiösen Abweichungen beseitigt haben. Offiziell wurde im Jahre 1624 in der Pfarrge­meinde das reformierte Bekenntnis Kalvins eingeführt.

Abb. 39

Die Herren der Westhofener Vikarie waren bis 1591 die „von Spyker". Sie übertrugen die zur „Schlosskapelle" gewordene Aegidienkapelle und die Vikarie im Jahre 1590 dem Pfarrer Lürmann. Gepredigt wurde nun in Westhofen, in Syburg dagegen für fast 2 Jahrhunderte nur noch an 6 hohen Feiertagen des Jahres. Nach einer Erweiterung um 1668 wurde das Gotteshaus Kirche genannt und von 3 Vierteln der Gesamtgemeinde besucht. Doch zum letzten Gang wurden alle zum Friedhof an der Syburger Kirche geleitet, in der die Andachten waren. Zwei Westhofener Kirchwege und der Garenfelder Pfad führten dorthin.
Seit 1776 musste der Pfarrer zu Westhofen im Sommerhalbjahr alle 2 Wochen und im Winterhalbjahr alle 4 Wochen in Syburg predigen. Im Kirchenvorstand besaßen die Westhofener längst den stärksten Einfluss, doch erst um 1835 kam diese Stellung offiziell zum Ausdruck. Man schrieb nun: Westhofen-Syberg.


Abb. 40

Die im Jahre 776 erwähnte Syburger Kirche und die Westhofener Kapelle von 804 sind wahrscheinlich Holzbauten gewesen, an deren Stelle später Bauten aus heimischem Sandstein gesetzt wurden. In Syburg hat schon vor etwa 1000 Jahren ein rechteckiger Saalbau gestanden, dessen Größe von 11,50 m Länge und 7,50 m Breite bei einer Ausgrabung in den Jahren 1950/51 erkennbar wurde (Abb. 40). Eine alte Sage erzählt von Tempel und Standbild aus heidnischer Zeit. Fest steht, daß eine entdeckte kreisrunde Grube unter der Mitte des alten Bauwerks nicht mit Kenntnissen der christlichen Baukunst erklärt werden kann. 1169 entstand die Kirche aus Sandstein im romanischen Stil jener Zeit. Damals wurde im wesentlichen das Bild geprägt, das bis heute den Menschen von etwa 30 Generationen vertraut geworden ist (Abb. 39). Der gotische Chor hat im 14. Jh. einen romanischen ersetzt. An Glocken soll die Kirche 2 große und 2 kleine gehabt haben, davon 2 aus dem Jahre 1504.
1673 sind Kirche und Kirchenarchiv durch fremde Soldaten in Brand gesteckt worden. 25 Jahre danach setzte der Wiederaufbau unter Verwendung von Spenden aus Deutschland und Holland ein.
Das Syburger Pfarrhaus erfüllte seinen Bestimmungszweck bis 1590. Beim Wallfahrtsziel „Petersbrunnen" stand ein Haus, das noch lange im Volksmund „Kloster" genannt wurde, vielleicht wegen der Betreuung erschöpfter Pilger (Abb. 41).
Auch in Westhofen ist - wie üblich - wiederholter Neubau an dem im Jahre 804 ausgewählten Standort anzunehmen. Die 1591 gekaufte Kapelle der Familie von Spycker wurde um 1668 erweitert. Auch Chor und Glockenturm wurden gebaut. Der große Brand des Jahres 1708 zerstörte Turm und Glocken. 1709 geschah der Neubau des heutigen Turmes, 120 Jahre später ist das Kirchenschiff wegen Unstabilität von Mauerwerk und Dach abgebrochen worden. Von 1831 bis 1835 entstand für 6000 Taler das neue größere Kirchenschiff. Das Wohnhaus für einen Vikar wurde vor 1600 zum Pfarrhaus. Ein nördlich bei der Kirche stehendes neues Pfarrhaus wurde 1708 gebaut (1911 als Werkstatt und Scheune abgebrannt). Es bildete einen Endpunkt des dreiseitigen Rahmens, aus dessen Mitte der Glockenturm ragte (Abb. 42). Die Küsterwohnung lag am nordwestlichen Eingang zum Kirchplatz („Kirchhof"). 1706 übernahm dort ein Lehrer zugleich das Küsteramt, und ein Unterrichtszimmer wurde angebaut. So wurde die Küsterwohnung auch zur Lehrerwohnung.

 

Abb. 41

Abb. 42

 

Der 1489 genehmigte Bau einer Kapelle in Garenfeld ist anscheinend nicht ausgeführt worden. Der Pfarrei Syburg gehörte das St.-Peters-Gut in Garenfeld mit dem Kornhaus. Dort wurden die Getreideabgaben zusammen­getragen. Ungefähr die Hälfte der kirchlichen Einnahmen trugen die Garenfelder Höfe.
Der Kirche stand die Aufbewahrung von „Saat und Maß" im Kornkasten des Kirchengutes zu: „Rentenkorn" und „Vrogscheppel" (geeicht). Auf dem Hofe zu Westhofen stand ein zweiter Kornkasten mit dem kirchlichen Reichsscheffel. Nur Bier aus der „Kirchenbraupfanne" durfte in den Handel kommen. Die „Scharbeile" zur Bestimmung der zu fällenden Bäume wurden in der Westhofener Kapelle aufbewahrt. Die Besichtigung des Markengebietes musste in der Kirche bekannt gegeben werden. Der Pfarrer durfte Holz, Mast und Land für sich benutzen, jedoch nichts verkaufen.

Die Pfennigrente war eine ständige Einnahme aus den Höfen. Nachweislich leisteten die
Westhofener Schützen im 17. Jh. zu Pfingsten dem Pfarrer eine Abgabe, im 18. Jh. zahlten sie jährlich einen Reichstaler. Nach 1840 spendeten die Schützen ihr gesamtes Kapital zur Anschaffung einer neuen Kirchenorgel.

 

6. Das Amt Westhofen in der preußischen Provinz Westfalen
Verwaltung und Bürgerschaftsvertretung.
Nach der Bildung der Provinz Westfalen (1815) wurde die Bürgermeisterei Schwerte 1816 dem Kreise Dortmund im neugeschaffenen Regierungsbezirk Arnsberg angeschlossen. In den folgenden Jahrzehnten ist einer der zwei Beigeordneten als Westhofener nachgewiesen: der Fabrikant und Chronist Heinrich Moritz Nettmann.
Das Amt Westhofen als Verwaltungseinheit entstand 1838 nach dem Austritt der Stadt Schwerte aus der Bürgermeisterei Schwerte. Das Amtsgebiet vereinigte die Stadt Westhofen und die Bauernschaften Syburg, Holzen, Wandhofen, Garenfeld sowie Lichtendorf (mit Overberge), Geisecke und Villigst (mit Rheinen) (Abb. 43), deren Sprecher 7 Vorsteher waren. Nach Ausrichtung auf die Landgemeindeordnung gelang es Westhofen erst 1848, auch Amtssitz eines gewählten Amtmannes zu werden, dem ein Beigeordneter zur Seite stand.

Abb. 43


In Westhofens Mitte - auf dem heutigen Marktplatz - wurde ein großes Bauernhaus zum Amtmanns-Haus. Gegenüber stand das Haus mit den Schreibstuben und der Arrestzelle. Nach 1900 entstand das neue Verwaltungsgebäude östlich des alten Stadtkerns. Nach der Abtrennung der östlichen Wälder der Garenfelder Mark wurde auch Rheinen aus dem Amtsgebiet herausgelöst, 1929 die Gemeinde Hohensyburg. Im Zuge der Neuordnungen wurde das Amt 1887 dem Kreis Hörde und 1929 dem Kreis Iserlohn angefügt. Zum Kreis Hörde gehörten z. B. Schwerte, Annen, Hombruch, Aplerbeck, Solde, Holzwickede und Opherdicke. Der Kreis Iserlohn reichte von hier bis Lendringsen, von Hohenlimburg und Letmathe bis Hemer.
Die 300jährige Zugehörigkeit der Grafschaft Mark zu Preußen war 1909 in Hohensyburg der Anlass zu einer glanzvollen Feier in Anwesenheit des Kaiserpaares vor dem 7 Jahre zuvor eingeweihten Denkmal, flankiert von dem 1857 eingeweihten Vincke-Turm.
Die Verwaltungschefs des Amtes sind die Herren von Basse (nacheinander 2 Brüder), Schulze-Vellinghausen, Freiherr von der Heyden-Rynsch, Rebber (Abb. 44), Graf von Haslingen, Edler von Daniels (Abb. 45), Arndt und Hümme gewesen.

 

Abb 44 Julius Rebber

 

 

Abb 45 Maximilian Edler von Daniels

 


Das Gebiet des Amtes Westhofen. Einem Korridor ähnlich erkennt man Schwerte.
1 hm

Bei der Amtsverordnetenversammlung hatte der Amtmann den Vorsitz. Im Jahre 1930 gehörten ihr 19 gewählte Amtsverordnete an, darunter 5 aus Westhofen mit Buchholz. 3 Mit­glieder waren als Beigeordnete tätig. Der Ver­waltungschef wurde inzwischen Bürgermeister genannt. Unter der Regierung Hitler folgte 1933 die Abschaffung der freien Wahlen.
Die Stadt Westhofen in der Zeit vom 19. Jh. bis 1945.
Das Gebiet von der Ruhr bis zum Wannetal galt nun als „Stadt Westhofen". Denn zu der alten „Freiheit" sind die Ortsteile Buchholz und Wanne hinzugefügt worden. 3 Westhofener waren Rats­leute des Amtes Schwerte. Nach der Auflösung dieses Amtes und der Gründung des Amtes West­hofen (1838) hatte die Stadt um die Mitte des 19. Jh. 5 bis 7 Stadtverordnete. Aus jener Zeit und bis nach dem Ende des 1. Weltkrieges sind folgende Namen von Stadtvorstehern bekannt: Wilhelm Mehring, Wilhelm Rincker, Wever gen.Tengel und Heinrich Westerhoff. Nach der Zeit des „Arbeiter- und Soldatenrates" übernahmen von 1919-1933 diese Aufgabe: Oskar Elison, Friedrich Fritzenkötter und Wilhelm Krämer, der 1930 einer von 14 gewählten Vertretern war.


Stellvertretend für die Reihe der Stadtvorsteher sehen wir hier:

Wilhelm Rincker, den Glockengießermeister (Abb. 46), Oskar Elison (Abb. 47)

Abb 46 Wilhelm Rincker

Abb 47 Oskar Elison

 

und den Gießereigründer Fritz Fritzenkötter als Schützenkönig (Abb. 48).

Abb 48 Fritz Fritzenkötter

 

Abb. 49


Zu den stadteigenen Gebäuden gehörten die Schule und die Gerätehäuser, vermutlich auch ein späteres Bürgerhaus, das die Stadt früher zugunsten ihrer Armenkasse vermietet haben soll. Nach der Einrichtung des Rathauses als Schule wurde der Verkaufserlös des älteren Schulraumes für den Anbau der Lehrerwohnung verwendet (1822). Der älteste Bau auf dem heutigen Schulgelände entstand 1874/75 und 1890, dessen Anbauten 1927 und 1937 und die Buchholzer Schule 1904. Die Lage von 3 Feuerwehr-Spritzenhäusern im ehemaligen Rathaus bzw. an der Hauptstraße ist ziemlich bekannt, eines an der Stelle des 1895 errichteten Ehrenmals. Es gab auch besondere Leiterhäuschen und eine Wachstube (1826). Noch in unserem Jh. standen Spritzenhäuser vor dem Feuerteichweg und am Kirchturm, ein Feuerwehrturm auf dem Schulhof (Abb. 49); dann diente das Erdgeschoß des Schulanbaues von 1927 der Feuerwehr.
Nach der Neupflasterung der Hauptstraße im Jahre 1819 mit den Steinen der Hohlwegspforte brachten Bürgerbeteiligung und Gemeindekasse die Erstpflasterung der übrigen Straßen des Stadtkerns bis 1824 zustande, eine Gesellschaft dann 1844-46 den Ausbau der ganzen „Actienstraße" von Schwerte nach Eckesey. Die den 3 angrenzenden Gemeinden gehörende Ruhrbrücke zerbrach 1831 und 1880. Der Neubau von 1832 und die Betonbrücke von 1928 brachten Verlegungen nach Westen. Die Kuhbrücke war 1827 eingestürzt, und 1921 /22 hatte dort am Ruhrbogen die letzte hölzerne Brücke ausgedient. Die Durchführung der Eisenbahnstrecke (1864-67) ließ Wärterhäuschen entstehen, 1872 den Bahnhof (Abb. 50) und um 1912 die Über- und Unterführungen.

Abb 50

Seit 1820 wurden die verstorbenen Westhofener auf dem Totenhof an der westlichen Ausfahrstraße bestattet, seit ca. 1876 auf dem Friedhof vor dem Wald. Ein alter Judenfriedhof lag weiter westlich vor der Steinkuhle. 1846 löste das Postkontor vermutlich eine alte Sammelstelle ab. Der Wirt Hügemeier stand der ersten Expedition in seinem eigenen Hause vor (Abb. 51). Ein eigenes Postgebäude entstand 1928. 1902 bestand die erste Apotheke am Ort.

Abb 51

In diesem Gebiet zwischen Ruhr und Wannetal lebten in den Jahren 1818,1870,1925 und um 1937:795,1435, 2380 bzw. 2666 Einwohner. 1818 bzw. 1925 standen 129 und 289 Häuser. 1858 war die Fläche 837 ha groß.
Die Geselligkeit wurde im 19. Jh. belebt, das Interesse für Sport und Musik angeregt. Die Schützen der „Freiheit", ebenso alt wie diese, deren ernste Pflichten bis in die Zeit des Grafen Engelbert zurückgingen (1324), pflegten weiterhin ihr friedliches Königsschießen. Pfarrer Neuhaus schrieb 1834: „Die zunehmende Volksbildung war unverkennbar". Lehrer Becker bezahlte selbst längere Zeit einen zweiten Lehrer. Er gab unentgeltlich Schwimmunterricht und gründete 1834 den Sängerchor „Eintracht". Eine die Leistung steigernde Konkurrenz bildeten später die anderen Männergesangvereine: der von 1859 (Abb. 52) und „Sangeslust" von 1900.

Abb 52

Daneben stimmte später der „Arbeitergesangverein" ins Chorlied ein. Der Krieger- und Landwehrverein von 1860 übernahm u. a. Aufgaben des durch Absterben gelöschten überörtlichen Begräbnisvereins der Kriegsveteranen. Vorrangig war zunächst die Pflege der Kameradschaft, dann zunehmend die Verehrung des Kaisers. Die Gründung des Turnvereins „Teutonia" von 1883 wurzelte in der deutschen Einheitsbegeisterung der 48er Zeit, die durch Schaffung der nationalen „Einigung von oben" verwandelt war. Der 1900 gegründete Turnverein „Eintracht" betonte die Kameradschaft gerade beim Bauen der „Turnerpyramiden" in Asbecks Saal hinter der Wirtschaft (Abb. 53). 1926 entstand das durch die Möhne-Flut zerstörte Freibad „Auf der Klüse". Die Kegelfreunde vergnügten sich draußen an Lenninghaus' Wirtschaft, dann auf Schmiemanns (Abb. 54) steinerner Bahn und später in den Räumen zweier Wirtschaften.

Abb 53

Abb 54

In verschiedenen Anschlüssen an die Turnvereine und die Feuerwehr bildeten sich früh kleine Gruppen der Spielleute, aus denen sich das Trommler- und Pfeiferkorps entwickelte. 1899 bildeten einflussreiche Männer den Verschönerungsverein, dessen Vorsitzender Amtmann Graf Haslingen war. Der bestehende Sauerländische Gebirgsverein ging in ihm auf, entstand jedoch 1916 neu. Außer der Organisation der Freiwilligen Feuerwehr (1902) und der Taubenhaltung gehen die weiteren Vereinsgründungen in die Zeit nach dem I. Weltkrieg zurück. Die jungen Männer des Vereins für Bewegungsspiele von 1919 suchten vorzugsweise beim Fußballspiel Mannschaftssport ohne Belastung durch Tradition. Tierzuchtvereine entstanden aus Spielfreude und aus Nützlichkeitswünschen: mit den Reisetauben der „Heimkehr" von 1897 und zuletzt der planmäßigen Ziegenzucht und der Kaninchenhaltung. Die Bienenhaltung war immerhin so bedeutend, daß 1897 ein mehrtägiges Westfälisches Verbandsfest in Westhofen durchgeführt wurde. Auch der Gartenbauverein ist hier zu nennen. Im Kanarien-Zuchtverein von 1933 wurde auch Gesang geboten. Zugleich mit dem Aufleben des Theatervereins und des Zithervereins im Jahre 1920 begannen auch für Westhofen die „goldenen 20er Jahre" einer ausbrechenden und überschäumenden Fröhlichkeit trotz bedrückender Alltagssorgen.

Abb. 55

Die Theaterspieler kannten als Westhofener „Jungens und Daierns" den Geschmack ihrer Mitbürger, und auch die Turner-Clowns ernteten Lachstürme, wenn sie sich mit Kinderwagen zum Turnreck auf die Bühne in Fritzenkötters Saal (Abb. 55) fahren ließen. Die Gaststätte Breer entwickelte sich aus einem Bauernhaus. Der „Stenographenverein Stolze-Schrey" pflegte seine Kurzschrift und Geselligkeit seit 1922.
Zusammenschlüsse der Gesangvereine (1932) und der Turnvereine (1933) steigerten die Entwicklungsmöglichkeiten, waren aber zugleich bei zerfallender alter „Dorfgemeinschaft" eine Folge nachlassender Kraft, die gleichzeitig der politischen Gleichschaltung zu widerstehen hatte.

 

Ortspflege, Begrünung und die Archivierung geschichtlicher Unterlagen und Gegenstände wünschten gewiss ernsthaft die 110 Mitglieder des Vereins für Orts- und Heimatkunde „Freiheit Westhofen" von 1933, der 1936 einen einmalig farbigen - gefilmten - Festzug zum Kreisheimat­fest in Westhofen hervorzauberte. Der Kleinkaliberschützen-Verein von 1933 war formal Träger des Schützenfestes von 1937, ein Schießverein hatte schon 1893 an der Rettelmühle „gezielt".

Adolf Ebeling (Abb. 56)

„Ungekrönter König" der Geselligkeit war Adolf Ebeling (Abb. 56). Als oberster Schützenbürger förderte und erneuerte er das Brauchtum, liebte er anspruchsvolle und von Humor getragene Unterhaltung und witzige Streiche. Er verband mühelos scheinbare Gegensätze: Management und Volkstümlichkeit, Geschichte und Gegenwart. In seinen Händen wurde ein Fest zum Kunstwerk und aus seinem Munde eine Festrede zum erlebbaren Geschehen voll märchenhafter Spannung.

Die Nachbarschaftsfeiern zum 22. Februar sind hier neben den Schützenfesten die älteste Form der Geselligkeit. Ihren Ursprung sehen wir in der Tätigkeit der 3 „Schichte" der alten Freiheit, welche die Bürgermeisterwahlen und gegenseitige Hilfe betraf. Das Wahlrecht war ihnen 1723 genommen worden, den dazugehörenden Umtrunk ließen sie sich nicht rauben. Die Aufnahme neuer Nachbarn - jetzt durch den „Schräpper" am heißen Ofen - und Pflichten wie das Tragen verstorbener Nachbarn zum Grabe blieben erhalten.


An die beiden Haupterwerbszweige Landwirtschaft und Tucherzeugung erinnerten 2 Zeilen eines 1819 entstandenen Gedichtes: „Westhofen bauet, schmucklos in der Nähe - sein reiches Feld und webet rastlos Tuch". Als in Nettmanns Tuchweberei im Jahre 1816 Spinn- und Schermaschinen aufgestellt wurden, war dies der Übergang von der Heimerzeugung zum Werksbetrieb (Abb. 57). 1823 arbeiteten dort 120 Personen. Die Verlegung nach Elsey (1830) machte eine Ausdehnung möglich. Für Westhofen bedeutete sie, daß ein zweites Mal in 3 Jh. ein wirtschaftlicher Aufstieg entscheidend gebremst wurde.

Abb. 57


Doch hier wurde nun auch Blaufärberei betrieben sowie Wirkerei, Lohgerberei, 2 Grützemühlen und Tabak- und Zigarrenfabrikation, die als einzige von diesen auch vor einem Jh. noch fortgesetzt wurde.

Abb. 58

Von 1830 bis 1850 ist der Wohlstand sichtbar „gesunken, die Armut besorgniserregend angewachsen". Hinzu kam ein Anstieg der Bevölkerungszahl von 1853 bis 1889 um 61%. Die 1850 gegründete Glockengießerei Rincker gewann mit der später gebauten Werkstatt zunehmend an Bedeutung, bevor sie überwiegend in eine Gelbgießerei auch für andere Artikel umgewandelt wurde. Die Gelbgießerei Fritzenkötter erschmolz 1896 den ersten Guss. Die Brauerei Wittekind GmbH war bis 1916 in Betrieb (Abb. 58). Sie hatte bis 1873 eine Vorgängerin an der Hauptstraße gehabt, deren Gebäude von 1890 bis 1918 der Schlossfabrik Kogelheide diente (Abb. 51).


Ein Teil der Räume der Wittekindbrauerei wurde für Eisenverarbeitung eingerichtet. Schon vorher hatte eine kleine Schmitte neben dem alten Friedhof Eisenwaren erzeugt. Die Steinbruchindustrie erlebte während des Baues der Eisenbahnstrecke einen Aufschwung. Einen Ebberg-Steinbruch aus der Kette von Brüchen zeigt Abb. 59.

Abb. 59

1866 ließ sich eine Papiergroßhandlung nieder, auch Kohlenhandel setzte später ein. Industrialisierung im Metallbereich wurde begünstigt durch die Fertigstellung der Eisenbahn (1867) und des Bahnhofs (1872). 1895 entstand die „Turn-, Sport- und Feuerwehrgerätefabrik" und 1908 die Baubeschlägefabrik Borggräfe, die sich einerseits zu den Stahlwerken Brüninghaus/Werk West und andererseits zu den Wittekindwerken für Eisenbahnbedarf des Adolf Ebeling und dann zu Brüninghaus/Werk Ost entwickelten. Jahrzehntelang war Hermann Schiermeyer Direktor des Unternehmens (Abb. 60).

Abb. 60

 

 

Abb. 61

Zeichen zunehmender Lebendigkeit war auch die „Westhofener Zeitung" (Abb. 61: Ausg. 1901).


In der Zeit vor dem I. Weltkrieg verfolgen wir die Gründung der Ringofen-Dampfziegelei (1901), der Westhofener Sandsteinbrüche GmbH, der Kittfabrik (1912) von Arthur Nettmann (Abb. 62) und eines kleinen Wasserwerkes des Kreises Hörde (1902) für Westhofen und einen Teil der Umgebung (Abb. 63), außerdem eines kleinen Elektrizitätswerks der Hörder Kreisbahn, das den Strom für die 1902 gebaute Straßenbahn und für private Nutzung lieferte. Das größere Wasserwerk nahm 1913 die Arbeit auf, das Turbinen-Kraftwerk 1923. Die Versorgung mit Gas wurde 1928 möglich. Die Nebenstelle der Sparkasse Schwerte-Westhofen hat 1918 ihre Schalter geöffnet.

Arthur Nettmann (Abb. 62)


Abb. 63


Nachdem schon um die Mitte des 19. Jh. die übrige Wollenweberei und andere Gewerbe abgestorben waren, blieb - nach Stilllegungen der Glockengießerei, der Brauerei und der Schlossfabrik im 1. Viertel dieses Jh. - im wesentlichen ein Bestand des Handwerks in den Bereichen des Bauens, der Bearbeitung von Holz und Metall für Bauten und Wohnungseinrichtung und in der Lebensmittelbranche. 2 Gärtnereien gingen auf Gründungen vor 1900 zurück. Die Bedeutung der metallverarbeitenden Betriebe nahm zu, während in der Landwirtschaft die Beschäftigtenzahl sank. Im Jahre 1937 beschäftigten die Stahlwerke Brüninghaus etwa 800 Personen, die Landwirtschaft unseres Gebietes etwa 50. Als Zeichen des gestoppten Fortschritts ruhte seit 1939 die Auffüllung des Autobahndammes.
Im Jahre 1853 lebten hier 1073 und 36 Jahre später 1729 Personen. 1900 waren es 2091, und im Jahre 1939 waren 2901 gemeldet.
Nach einem Gefallenen während Napoleons Krieg waren in denen der folgenden 132 Jahre viele Westhofener zu beklagen: 1870/71 - 5, 1914-18 - 64, 1939-45 aber 123 Gefallene, 43 Vermisste, dazu 37 weitere Todesopfer von Krieg und Politik, unter ihnen 10 durch Bomben in 2 der 3 zerstörten Häuser am Alten Hellweg und an der Bahnhofstraße, 3 Westhofener, 2 Ausländer und 2 Auswärtige am 13.4.1945 und 4 Westhofener in Vernichtungslagern. Einen Nachmittag und eine Nacht hindurch dauerte der Beschuss der Stadt Westhofen, bevor amerikanische Truppen am 14.4.1945 einmarschierten. Dabei starben auch deutsche Soldaten, von denen sicherlich 8 in Westhofener Erde ihre letzte Ruhe fanden.


Die Geschichte des Amtes Westhofen in der Zeit vom 19. Jh. bis 1945:
Wirtschaft, Verkehr, Versorgung und Kriegseinwirkungen.


Bei der Bildung des Amtes setzte sich die Fläche aus den 36 qkm des ehemaligen Reichshofes und den etwa 15 qkm der östlichen Gemeinden zusammen. In den ländlichen Gemeinden blieb die Landwirtschaft länger der Haupterwerbszweig als in Westhofen. So waren dort noch um 1900 die älteren Besitzer fast ausschließlich Ackerbürger. Die größten Grundbesitzer waren die zumeist' adligen Familien der Rittergüter zu Husen, Steinhausen, Wandhoff und Ruhr, zu Rutenborn (Abb. 64) und Villigst (Abb. 65) und auch zu Haus Busch in Kabel. Zu allen haben private Kornmühlen gehört, von denen zuletzt noch 3 arbeiteten, dazu die Mühle in der Wanne. Das Gut Kückshausen hatte lange Zeit mit dem Steinhausener Besitz eine Einheit gebildet. Das große Gut „Reichsmark" entstand 1849.

 

Abb. 64

Abb. 65

Nicht nur der Nahrung, auch dem Genuss wurde hier Getreide zugeführt, das dann als Rutenborns „Schloßhäuser", als „Reichsmärker" und als Holzener Kornbranntwein auf den Markt kam. Die älteste größere Anlage der Eisenverarbeitung ist die 1819 durch Johann Diedrich Theile (Abb. 66) gegründete Kettenfabrik am Elsebach in Villigst. Von Syburg aus gelangten Holzkohle, Steinkohle und später Karabinerhaken in den Handel. Die häufig stilliegenden Syburger Steinbrüche wurden durch den Bau des Denkmals belebt. Die Kornmühle an der Lenne wurde 1888 zur Holzschleiferei. In Holzen backte man schon um 1900 „Schwerter Brot" und Mauerziegel. Die Bergleute gingen schließlich zu den auswärtigen Kohlegruben und seit der Industrialisierung zunehmend als „Pendler" aus den sich bildenden Wohngebieten in die erreichbaren Fabriken.


Johann Diedrich Theile (Abb. 66)

Im frühen 19. Jh. geschahen im Straßennetz die Neuanlagen von Westhofen nach Holzen, von Westhofen nach Schwerte und von Wandhofen bis Holzen. Ausgebaut wurde die Höchstener Chaussee und 1844-46 die „Actienstraße" von Schwerte bis Eckesey. Zum Gemeindeweg wurde die spätere Straße Syburg-Westhofen.
Ruhr und Lenne überwanden 3 Holzbrücken, so wie die von 1880 bei Westhofen (Abb. 67), dazu seit 1891 die private Drahtseil-Hängebrücke in Geisecke (Abb. 68). An dieser „Wippbrücke" und am Garenfelder Brückenhaus war Brückengeld zu entrichten - von einer „Zeche" abziehbar. Beide Brücken wurden 1928 durch massive ersetzt, bei Villigst schon 1892. Um 1928 entstanden auch die Betonstraße Garenfeld-Ergste und die Kreisstraße Geisecke-Rheinen.

Abb. 67

Abb. 68

 

Abb. 69

Die Eisenbahnstrecken Hagen-Unna (1867), Schwerte-Iserlohn (1910) und Schwerte-Dortmund (1912) durchquerten Syburger, Lichtendorfer bzw. Wandhofener Gelände. Villigst wurde berührt. Geisecke erhielt wegen des Wellenbades bald eine Haltestation der 1870 eröffneten Arnsberger Strecke. Im Jahre 1902 ist die elektrische Straßenbahn von Schwerte über Wandhofen nach Westhofen eröffnet worden (Abb. 69), an die sich 1903 die Syburger Bergbahn anschloss (Abb. 70).

Abb. 70

 

Eine Pumpstation entstand nach 1900 in Villigst, weitere Anlagen des Dortmunder Wasserwerks in Geisecke. Allmählich setzte die Stromversorgung ein, die mit Gas um 1928.
1943 ergossen sich die Fluten der torpedierten Möhnetalsperre durch das Ruhrtal und rissen getötete Menschen und Tiere mit sich. Bomben brachten Tod und Zerstörung, so auch 1944 in Westhofen an der Ecke Bahnhofstraße/Niederstraße (Abb. 71). In den 10 Jahren der Weltkriege griff der Tod nahezu 1000mal gewaltsam in die Reihen der Bevölkerung, deren Zahl im Amtsgebiet jeweils unter 10000 lag. Die französische Besatzung von 1923/24 in den Gemeinden Syburg, Westhofen und Holzen und die Besetzung durch Amerikaner und Engländer im Jahre 1945 waren ein Höhepunkt und ein Einschnitt einer Zeit organisierten Völkerhasses, den dennoch schon vor genau 50 Jahren Menschen mit freier Gesinnung zur Verständigung nutzten.

Abb. 71

Aus dem kirchlichen Leben in der Zeit vom 19. Jh. bis 1945:
Organisation, Persönlichkeiten, Bau- und Vereinstätigkeit.
Das kirchliche Leben entfaltete sich damals im Ruhrtal - ebenso wie im ganzen Königreich Preußen, seit 1871 Schwerpunkt des neuen Deutschen Kaiserreiches - mehr oder weniger unter dem Einfluss der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung: der Wiederherstellung alter über­lebter Formen, der Bürgeraufstände und der Kriege von 1864,1866 und 1870/71. Die frühe Industrialisierung und die Bevölkerungszunahme gingen einher mit wachsender Massenarmut und der beginnenden Abwendung vieler Arbeiter von den Kirchen. Auf 4 friedliche Jahrzehnte wirtschaftlicher Blüte und nationaler Schwärmerei am Ende der so genannten „guten alten Zeit" folgten die schicksalsschweren Jahre von 1914 bis 1945 mit tausendfachem Kriegstod junger Mitbürger vom Beginn des ersten bis zum Ende des zweiten Krieges —, dazwischen Not- und Revolutionsjahre in der jungen Republik. In direkte Gegnerschaft stellte sich der Staat im „Kulturkampf" der 70er Jahre gegen die katholische Kirche und unter der Regierung Hitler von 1933 bis 1945 gegen alle Religionsgemeinschaften.
Bald nach der ersten Anregung, die reformierten und die lutherischen Gemeinden zu einer evan­gelischen Kirche in Preußen zu vereinigen (1817), ist die reformierte Gemeinde Syburg-Westhoven der „Union" beigetreten. Somit zog man hier einen Schlussstrich unter die jahrhundertelange Überbetonung der unterschiedlichen Deutung des Abendmahls. Andererseits festigte sich die viel kritisierte Bindung von „Thron und Altar". Auch diese „Altpreußische Union" war in Kirchenprovinzen, Kirchenkreise und Gemeinden gegliedert.

Abb. 72

Nachdem im Jahre 1897 Syburg als selbständige Kirchengemeinde abgetrennt worden war, bildete es mit dem Ortsteil Buchholz/ Wanne einen der 4 kirchlichen Mittelpunkte innerhalb der politischen Grenzen des Amtsgebietes: Westhofen, Schwerte (für Holzen, Wandhofen, Lichtendorf, Geisecke und Villigst) sowie Syburg und Höchsten als Teil des großen Dortmunder Pfarrbezirks.

Außer den Pfarrkirchen in Westhofen, Hohensyburg und Schwerte gab es noch 2 kleinere Kirchen: die zu Holzen-Sommerberg gehörende und die in Geisecke (gebaut ca. 1900). Der Kirchturm von 1709 ist Westhofens ältestes Gebäude (Abb. 72).

Das alte Pfarrhaus nördlich neben der Westhofener Kirche hatte 1847 ausgedient, wurde Scheune, Stall und Werkstatt und brannte 1911 zu Neujahr ab. Von 1845 bis 1847 war das jetzige Pfarrhaus errichtet worden. 3 bronzene Glocken goss der West­hofener Glockengießer 1850 in einer beim Pfarrhaus dafür aufgestellten Werkstatt. Schon 8 Jahre nach dem 1909 durchgeführten Umguss mußten die beiden großen Glocken der Kriegswirtschaft zum Einschmelzen geopfert werden. Die vorhandenen Gussstahlglocken entstanden 1920. Eine gebrauchte Orgel ist 1847 angeschafft worden, eine neue 1897. Im Jahre 1926 wurde der Grundstein des Gemeindehauses gelegt.

 

Die Gemeinde hatte auch im 19. Jh. das Recht der freien Pfarrwahl. Das Presbyterium bestand außerdem Pfarrer aus 10 Mitgliedern; 5 Stimmen hatte Westhofen, 3 ½ Garenfeld und 1 ½ Syburg. Seit 1550 hatten der lutherische Pfarrer E. Werlemann und die reformierten Pfarrer D. Lürmann, H. Waßmann, H. Ludgerus, H. Brüggemann, C. Wever, J. C. Wever und C. F. Schemmann als Geistliche gedient. Die Namen der Kirchmeister und „Ältesten" sowie der Provisoren seit 1584 sind z. T. bekannt. Nach ziemlich unruhigen Jahren zwischen 1817 und 1829 folgte auf die verzichtenden G. Hackländer (reform.) und F. W. Umbeck (luth.) Pfarrer Ludwig Neuhaus (Abb., Silhouette Mitte 19. Jh.), der 54 Jahre im Amt war. Etwa 20-mal im Jahr begab er sich zu Pferde hinauf zum Gottesdienst in Syburg, gefolgt von einem Westhofener Bürger, der ihm dort als „Vorsänger" half. Der wortgewandte Prediger verfasste auch eine gedruckte Abhandlung über die Ortsgeschichte. 1883 trat Pfarrer Richard Falkenberg (Abb.) zum erstenmal vor die Westhofener Gemeinde. In den letzten friedlichen Jahrzehnten des Kaiserreiches prägte sich das Bild seiner Persönlichkeit unverlöschbar ein: seine mächtige Predigerstimme und die überragende Gestalt.

Im 19. Jh. war die Armenpflege allein eine Aufgabe der Kirchengemeinde und ihrer Armen­provisoren. Einige Namen von Kirchmeistern und Rendanten unseres Jh. sind nochgut in Erinnerung: Heinrich Koch, Fritz Kogelheide (Rendant) und Gustav Wilhelm Schneider. Als Gemeinschaft inner­halb der Kirchengemeinde ist 1908 der „Christliche gemischte Chor Westhofen" gegründet worden, der 1921 unter dem Namen „Kirchenchor" wiederauflebte. Im ersten Kriegsjahr gründete der neue Pfarrer Friedrich Klinker (Abb.) die „Evangelische Frauenhilfe". Der CVJM schloss sich hier 1920 zusammen, dessen Posaunenchor 1928. Alle Chorproben und Versammlungen - auch die eines 1914 gebildeten Jungmädchenkreises - fanden anfangs im oberen Raum des ehemaligen Rathauses am Kirchplatz statt. Allerdings probte man während der französischen Besetzung (1923/24) im Pfarrhaus. Seit 1928 stand das Gemeindehaus zur Verfügung.
Der Beginn der 34jährigen Dienstzeit des Pfarrers Klinker in Westhofen fiel in das erste Kriegsjahr 1914. Nach Jahren der Verunglimpfung wurde der hochgebildete Mann der „Bekennenden Kirche" nach Eintritt der Waffenruhe im Jahre 1945 als Bürgermeister eingesetzt. Abends erklang damals durch die freudlosen Gassen sein Spiel auf dem Flügelhorn bei geöffnetem Fenster.
Die in Westhofen, Holzen und Wandhofen wohnenden Nachkommen der zugezogenen katholischen Christen wurden im 19. Jh. von der Schwerter Pfarrei betreut - ebenso wie die aus den 3 östlichen Gebieten des politischen Amtes Westhofen, denn Lichtendorf mit Overberge, Geisecke und Villigst mit Rheinen hatten nicht nur kirchlich, sondern ursprünglich auch politisch zu Schwerte gehört. 1840 besagten die Grenzbeschreibungen, daß die Syburger Katholiken zu Herdecke und daß die Garenfelder, - die später auch zur Schwerter Gemeinde kamen -, zu Boele gehörten. Die römisch-katholische Gemeinde Schwerte hat 1810 volle Pfarrechte erhalten. Sie wurde später Teil des Dekanates Iserlohn. Unser Gebiet, im Mittelalter zum großen Erzbistum Köln gehörend, wurde bald in das Bistum Paderborn eingefügt, das 1930 zum Erzbistum erhoben wurde.
Alle Gläubigen der katholischen Gemeinde Schwerte gingen oder fuhren lange Zeit zum Gottes­dienst stets zu ihrer Marienkirche - an 3 verschiedene Stellen: bis 1862 am „Hüsingtor", dann bis 1904 gleich nebenan vor dem Hüsingtor (Abb. 73) und seitdem im neuen Gemeindezentrum.

Abb. 73

In der unruhigen Zeit des „Kulturkampfes" nach der Verkündigung des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas war Eduard Senger († 1897/Abb.) Pfarrer zu Schwerte. Nach den staatlichen Eingrenzungsversuchen gegenüber der Tätigkeit der Kirche und ihrer Orden schlossen sich die deutschen Katholiken um so fester zusammen.
Einige Jahre diente Johannes Henneke als Pastor, bevor Laurentius Schnurbus (Abb.) von 1898 bis 1933 als Pfarrer in dieser Gemeinde wirkte. Unter diesem „baufreudigen Herrn" entstanden die neue Kirche und das Pfarrhaus, die Kapellen in Lichtendorf (1906) und Westhofen (1932) sowie Krankenhausanbauten. Er war sehr volkstümlich und geschätzt bei Menschen beider Konfes­sionen. Seit 1919 stand ihm ein zweiter Kaplan zur Seite. Im Jahre 1933 trat Pfarrer Aufenanger (Abb.) seinen Dienst an. So erlebte er hier die Zeit der Regierung Hitler mit all ihren Anfeindungen.

 

Die heutige Marienkirche in Schwerte ist seit ihrem Bau und ihrer Weihe (1904 bzw. 1906) mit dem 1900 erbauten Pfarrhaus Mittelpunkt der gesamten Gemeinde. Seit 1905 wurde in Lichtendorf und seit 1922 auch in Westhofen, Holzen und Geisecke die hl. Messe gelesen. In Lichtendorf entstand 1906 durch den Bau der Kapelle das erste „Unterzentrum", das 1916 ein Pfarrhaus erhielt. Durch den Abbruch der Straßenbahnlinie Schwerte-Westhofen war 1922 die verkehrsmäßige Erleich­terung für die Westhofener entfallen. Schon bald fand ihr Gottesdienst in einem freien Büroraum des ehemaligen Hotels statt, später im alten Rathaus („alte Schule"). Die St.-Barbara-Kapelle am Hohlweg (Abb. 74) erhielt 1932 ihre Weihe. Sehr häufig las dort Kaplan Kirchner aus Schwerte die Messe (t 1973 als Geistl. Rat). Der Name des Gotteshauses erinnert an die heilige Barbara, die schon im Mittelalter in der Syburger St.-Petrus-Kirche verehrt wurde.
Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand repräsentierten die Mitarbeit der Laien vornehmlich in Vermögensangelegenheiten. Seit der Jahrhundertwende regte sich die Vereinstätigkeit: der Kirchbauverein, der Gesellenverein der „Kolping-Familie", die K. A. B. „St. Stephanus", der Chorgesang und mit hilfsbereiten Frauen der „Elisabeth-Verein".
Schluss
Wie am Ende des Abschnitts über das politische Geschehen im Amt und in der Stadt Westhofen zu erkennen war, soll das letzte Kriegsjahr 1945 unseren Bericht abschließen. Wir sind uns gewiss darin einig, daß damals am Ende und am Tiefpunkt jener nationalen Katastrophe ein Einschnitt von außergewöhnlicher Bedeutung zu erkennen ist. Einig sind wir auch in der Hoffnung, daß unser Land niemals wieder so in den Bereich des tödlichen Abgrundes gestoßen wird.
Nach Jahren von Not und Hunger folgte, wie wir wissen, die Zeit des Wiederaufbaus. Darüber zu berichten, sollte späteren Arbeiten vorbehalten sein.

 

 

WESTHOFEN - REICHSHOF UND FREIHEIT - STADT UND AMT
Zahlen und Ereignisse aus 12 Jahrhunderten

 

775 Eroberung der altsächsischen Syburg durch Karl den Großen. In der Folgezeit Schaffung des “kaiserlich freien Reichshofes Westhofen”. Er wird Verwaltungs- und Wirtschaftseinheit. Seine Fläche (einschl. Syburg, Holzen, Wandhofen und Garenfeld) wird als “Veste Hove” selbständiger Schutz- und Verteidigungsbereich. Syburg wird das Kirchenzentrum.
804 St.-Ägidius-Kapelle bei Syburg, später in Westhofen erwiesen.
1255 Erste sichere urkundliche Nennung Westhofens. Graf Engelbert v. d. Mark zweigt Einkünfte aus “curtis nostre Westhoven” ab.
1300 Eingliederung des Reichshofes in das Gebiet des Grafen Eberhard von der Mark und in das Amt Wetter.
Um 1324 Die Rechte einer “Freiheit” erhält das Dorf Westhofen durch den Grafen Engelbert II. von der Mark. Die Bauern werden nun zu Bürgern und einer wird Bürgermeister. Tore, Gräben und Mauern umschließen bald das Wohngebiet, dessen Grenzen einen Halbkreis bilden, denn sie verlaufen außen um unsere Reichshof- und Niederstraße. Die Bürger der stadtähnlichen “Freiheit” gründen die 3 Nachbarschaften, die wehrfähigen Männer die Bürgerwehr der Schützen.
1387 Richter und Gericht werden wieder in Westhofen nachgewiesen. Aber 1461 Zusammenlegung mit dem Gerichtsbezirk Schwerte.
1428 erfolgt Eingliederung in die Renteiverwaltung des Amtes Hörde.
1458 Die Ruhr durchbricht ihr Ufer an der Ergster Grenze und gräbt sich 800 m nördlich ihren neuen Kurs.
1486 40 Steuerzahler werden in der Freiheit genannt, 35 sind davon zahlungsfähig.
1550 Die Reformation hat sich höchstwahrscheinlich in Westhofen durchgesetzt.
1582 Beginn des Kohle-Bergbaues hinter dem Dorf Syburg auf der Reichsmark.
1591 Die Bürgerschaft der Freiheit kauft die Westhofener Privatkapelle.
1598 Ein Großbrand zerstört 85 von 96 Bürgerhäusern.
1609 Westhofen wird mit der Grafschaft Mark an das Herzogtum Preußen angeschlossen, dieses wird 1701 Königreich.
1640 Erster Nachweis eines Lehrers.
1708 Die größte Feuersbrunst, die nur jedes 20. Haus verschont. Schon 1722 beim nächsten Brand bleibt nur jedes 5. Haus ohne Schaden.
1709 Die Kirche erhält den neuen Turm.
1710 Die Schützen erstellen ein neues Schützenbuch, das alte war 1708 verbrannt, in welchem sie ihre alten Regularien niederschreiben.
1719 Ruhrbruch bei Geisecke, Hauptlauf jetzt bei Villigst.
1723 Die Freiheit verliert ihr demokratisches Recht der Bürgermeisterwahl.
1753 Zuteilung zum Kreis Hamm löst die Ämterverfassung ab.
1761 Hartes Gefecht am 3. Juli im Siebenjährigen Krieg an der Ruhrbrücke. Die verbündeten Preußen, Hannoveraner und Engländer zerstören den französischen Nachschub.
1806 Offizielle Auflösung des Reichshofes.
1807 Verlust des Bürgermeisteramtes unter Napoleon. Das gesamte ehemalige Reichshofgebiet wird Schwerte zugeordnet.
1814 Das alte Rathaus wird Schule.
1816 Werksbetrieb der Tuchweberei Nettmann mit 120 Beschäftigten. Aufstellung von Maschinen.
1830 Wirtschaftlicher Rückschlag und Verlegung nach Elsey, dort heute noch bekannt: Nettmansche Villa (mittlerweile abgerissen, Nettmanscher Graben)
1834 Gründung des Sängerchores “Eintracht”. Ältester Verein Westhofens.
1835 Einweihung des neuen Kirchengebäudes.
1838 Entstehung des Amtes Westhofen im Kreis Dortmund (von 1816).
1846 Straße Schwerte - Westhofen - Eckesey wurde jetzt chausseemäßig ausgebaut. Anschluss an die Personenpost Hagen - Schwerte.
1850 Gründung der Glockengießerei Rincker, 1855 Werkstätte.
1853 Gründung der gemeinsamen Sparkasse in Schwerte.
1872 Fertigstellung des Bahnhofes Westhofen an der seit 1867 betriebenen Eisenbahnstrecke.
1873 Die spätere “Wittekind-Brauerei” ersetzt einen bestehenden kleineren Betrieb
1875 Die zwei ältesten Räume der heutigen Schule werden bezogen.
1881 Das erste Postamt wird eröffnet, 3 Jahre nach erstem Telegrafen- und Telefonbetrieb.
1883 Gründung von “Teutonia”, des ältesten Westhofener Turnvereins.
1887 Amt Westhofen kommt zum Kreis Hörde.
1889 Bevölkerungszuwachs der Stadt seit 36 Jahren: 61 % (von 1073 auf 1729).
1895 Entstehung der “Turn-, Sport- und Feuerwehrgerätefabrik”, aus der sich später die Stahlwerke Brüninghaus entwickeln.
1897 Westhofen und Syburg werden als Kirchengemeinde getrennt.
1901 Gründung der “Ringofen-Dampfziegelei” beim größten Sandsteinbruch.
1902 Errichtung eines kleinen Wasserwerkes für Westhofen.
1902 Die Straßenbahn der Hörder Kreisbahn beginnt ihre Fahrten (mit Westhofener Strom) von Schwerte über Westhofen nach Syburg. Dort wird 1903 die Bergbahn angeschlossen, was die Besuche des noch neuen Kaiser Wilhelm-Denkmals erleichtert.
1908 Gründung der Baubeschlägefabrik Borggräfe. Aus ihr entstanden die “Wittekindwerke” und dann “Brüninghaus/Werk Ost”.
1913 Ein größeres Wasserwerk löst das kleine ab.
1918 Die Schwerter Sparkasse eröffnet ihre Westhofener Nebenstelle.
1919 Der Fußball- “Verein für Bewegungsspiele” wird gegründet.
1923 Inbetriebnahme des Turbinen-Wasserkraftwerkes.
1928 Gasversorgung wird ermöglicht, die Ruhrbrücke in Beton vollendet.
1928 Der Hengsteysee wurde fertiggestellt, die Talbrücke und Seebrücke folgen bis 1930.
1929 Die Gemeinde Syburg kommt zu Dortmund, das übrige Amt zum Kreis Iserlohn.
1932 Einweihung der katholischen Barbara-Kapelle.
1954 Einweihung der katholischen Peters-Kirche.
1956 Die Turnhalle Wasserstrasse wird eingeweiht.
1961 Die durchgehende BAB-Strecke Leverkusen – Kamen (Ruhrtangente, A1) wurde dem Verkehr übergeben, ca. 5 Jahre später wird die Sauerlandlinie über das “Westhofener Kreuz” geführt.
1975 Anschluss der Stadt und des Amtes Westhofen an die Stadt Schwerte. Zugleich Einfügung dieser auch um Ergste vergrößerten Stadt in den Kreis Unna.

 

  Das Wappen des Reichshof Westhofen
Heimatverein Reichshof Westhofen e.V. ~ Im Graben 13 ~ 58239 Schwerte