H. Kraas in "Der Märker" 9.Jg. Februar/Heft 2


„Sup-Peiter“ in Westhuowen

Vom Nachbarschaftswesen in der alten „Freiheit“ Westhofen

 

Am Samstag nach dem Feste Petri Stuhlfeier (22. Februar) ertönt in drei Westhofener Wirtschaften als Nachbarschaftslokalen seit dem Jahre 1925 aus fröhlichem Männermunde das „Festlied de Westhüöweschen Nobers“, gedichtet von Amtsrentmeister i. R. Otto Externbrink:

„De Nobers sind van ‘nomd bi‘ein, ein jeder es tau Stell‘.

De Wiewer bliewet schäun te Hus, weil et de Brauk sau well.

Denn „ Sup-Peiter“ es van Dage, ein Fest ut oller Tied, tau schlichten Streit un Klage. Drüm singet vie dat Lied:

„Nun Schräpper, kriet dat Isen ran, makt gleinig ok das Füer, un raupet alle Mann füör Mann wann geiert ok de Rüer rächt fuorsch un nit sau lau:

Schrappt tau, schrappt tau, schrappt tau!“

Seit Jahrhunderten kommen in der alten „Freiheit“ Westhofen jährlich einmal die Westhofener Männer zusammen, um das Fest der Nachbarschaft zu begehen.

Das Jahr, in dem die Bauernschaft Westhofen, im mittelalterlichen Reichshof Westhofen gelegen, der wie die Reichshöfe Dortmund, Brackel und Elmenhorst zu den Königshöfen um Dortmund gehörte und deren Gründungen „eindeutig auf Okkupation Karls des Großen zurückzuführen sind“, (Nieland, in: Der Reichshof Westhofen im Mittelalter, Dortmunder Beiträge 1953, auch Sonderdruck, Seite 181) zur „Freiheit“ durch die Grafen von der Mark erklärt wurde, ist unbekannt, wird aber von der Geschichtsforschung auf die Zeit um 1300 angesetzt. „Mit der Erhebung Westhofens zur Freiheit wurde ein bestimmter Bezirk des Reichshofs für die Freiheit selbst und für deren Weichbild ausgesondert. Beides blieb zwar Teil des Reichshofs, erhielt aber besondere Vorrechte“ (Nieland, a.a.O. Seite 371), aber auch besondere Verpflichtungen Der „Wibbolt“ oder die „Freiheit“ Westhofen wurde mit Gräben und Palisaden umgeben und mit fünf Toren versehen. „Wo natürliche Grenzen fehlten, umgab man das Ganze mit einer entsprechenden Landwehr“ (Nieland, a.a.O. Seite 331). Die Erhebung zur Freiheit ermöglichte neben der bisherigen Einwohnerschaft, den „Erben“ der Reichsgüter, auch die Ansied­lung von Handwerkern und Kaufleuten. Nach den Angaben bei von Steinen (Westfälische Geschichte, 1, Seite 1576 und 1723) setzte sich später die Einwohnerschaft Westhofens zu­sammen aus den „Erben“, die Reichsgut besaßen, und der „Gemeinte“, den Bürgern ohne Reichsgutbesitz. Im Jahre 1401 gab Graf Gerhard von Kleve-Mark den Bewohnern Westhofens zu ihren bisherigen Rechten weitere Privilegien, die sich auf die Bürgermeister- und Ratswahl bezogen (Staatsarchiv Münster, Kleve-Mark, Landesarchiv Nr. 80/76) Die bei diesen Wahlen zu beachtenden Vorschriften werden in dieser Urkunde als bereits von alters gebräuchlich bezeichnet. Die Bürgerschaft besaß danach das Recht, jährlich aus der Zahl der Reichshufenbesitzer, den „Erben“, den Bürgermeister zu wählen. Der Rat der Freiheit, aus zwei Ratsherren bestehend, wurde dagegen aus den Reihen der Reichshufenbesitzer und der „Gemeinte“, den nicht Reichsgutbe­sitzenden gewählt. Nach Ablauf eines Jahres hatte der Bürgermeister in einer Versammlung aller Einwohner Rechenschaft über seine Amtsführung abzulegen. In dieser Bürgerversammlung erfolgte auch die Neu- oder Wiederwahl des Bürgermeisters. In einem Schreiben vom 27. Januar 1714 berichten „Bürgermeister und Rath der Freyheit Westhofen“ an den preußischen König Friedrich Wilhelm 1., wie,, es bishero allhier mit der Raihtwahl gehalten“ worden sei und fügt die „vorhandenen Privilegia“ bei (Abdruck dieses Schreibens: „Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde des Süderlandes“ ‚ Altena 1902, Seite 90 f.). Es wird danach „alle Jahre auff Petri ad cathedram (Petri Stuhlfeier) den 22. Februar die Rathswahl auf nachfolgende Weise angestellt und verrichtet. Es wird alsdann am selbigen Tage die g a n t z e Bürgerschaft auffs Rathhauß des Morgens zu erscheinen vorigen Abendts C i t i r e t ‚ wan dieselbe versamblet setzet sich der Magistrat, welcher bestehet in zwei Bürgermeistern und zehn Rahtsmännern nebst annoch drey Gemeinheitsmännern so auch bei allen Rahtsversamblungen ihren Sitz auffm Rathhause haben an einem Ohrt, d i e B ü r g e r aber müssen sich in drey Schichte verteilen und aus jedem Schicht drey Bürger s i c h e r w e h 1 e n dieselben werden Churherren genandt und auch aus j e d e m S c h i c h t e i n e n welche der Bürgermeisterrechnung beiwohnen, diese neue Churherren werden sogleich in Aydt genommen und auff dem Rathhause umb eine neue Wahl zu verrichten gelassen. In mittler Zeit aber muß der Regierende Bürgermeister vor gemelten Rahtsherren den drey Gemeinsheitsmännern und noch d r e y e n s o a u s den Schichten deputirt werden seine Rechnung ablegen ... „ . Westhofens Bürgermeister und Rat fügten diesem Schreiben früher ergangene auf die Ratswahl sich beziehende Privilegien aus den Jahren 1434, 1522, 1649, 1666 und 1669 bei. Nach von Steinen (a.a.O. Seite 1724) wurde die Bürgerschaft zur Bürgerversammlung durch den Glockenschlag zusammengerufen.

Aus diesen jährlichen Bürgerversammlungen scheinen die Nachbarschaftsfeiern auf Petri Stuhlfeier, das „Sup-Peiter-Fest“ Fest hervorgegangen zu sein. Das Westhofener Nachbarschaftsfest „ Sup-Peiter hat eine lange Tradition. Der frühere „Nachbarschaftsoberrichter“ Fabrikant Adolf Ebeling (gestorben am 10. Oktober 1950 in Schwerte), ein um das Nachbarschaftswesen und das Nachbarschaftsfest in Westhofen hochverdienter Mann, der sich auch in eingehenden Studien mit der Vergangenheit Westhofens befasst hat, kennzeichnet das Westhofener Nachbarschaftswesen: „Vüör un no diäm dusendsten Johr was et allgemein im Lanne nit ganz sieker. Uem dat te biättern, het use Ollen Fliehburgen tom Schutze tiägen dä Undüchte ringsüm op dä Biärge satt. Do ower billen sick Stegreifritter ran. Düese kämen vüör dä Ärnte ümmer no dä kleinen Lü, kuoften gewoltsam in un vergäten dat betalen. Dat moch awgestallt wiärn. To eist weuen den Burgen awgedriägen. Eberhard van dä Mark gaw Westhuowen dä Rächte, sich in einen befestigten Ort ümetewanneln, domet dä Inwühners jähre ollen kaiserlicken Frieheiten gebruken können. Im drütienten un veierten Johrhunnert es dann Westhuowen ümmüert wauen un vüör dat Bauwerk wauen graute deipe Wallgriäwens gelagt. Domet dä Ingesiättenen in un ut kommen können, weuen fief graute Poten angelagt. Düise wären de Westenpote (se es de öllste), Huohlwegpote, Spiekerpote (to Spickers Schluot gehörig), Austenpote un de Niggepote. Dä Poten wauen Dag un Nacht gout bewachet un geschützt, an Marktagen besunners verstiärket. Vüör jeden düeser In- und Utgänge waue eine Noberschop gebillet. In Schlagden, Gefechten und Keilerriggen kämen van dä Schütten welke um oder weuen to Krüeppels. In ehrenvoller „sozialer Gesinnung entstand unner de Nobers de gägensietige Hülpe, dä düiese Schütten un iähre Angehörigen in Nautfälle pflegen un unnerstützen. Einer stand vüör Alle, un Alle stönnen vüör Einen. Westhuowen es dreimol awbrannt, awer düer dä Noberschop immer wir nigge erstohn. Dat es ein van dä Brillanten in dä Kraune de Noberschaop. Gereiten de Nobers mol unnerein in Strit, waue düet, üm da Enigkeit zu bewahren, op St. Petri Stuhlfeier geschlichtet. Sau, wie nu vüöer üöwer säßhunndert Johr dä Lü sick verdreugen, so wett wie dat auk daun, düise scheune Sitte pflegen un se auck vüör widdere Tieden biebeholln“.

Westhofen war nach den Stadttoren ursprünglich in fünf Nachbarschaften eingeteilt, die nach den Toren der Befestigung benannt wurden. Drei von diesen alten Nachbarschaften haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten: die „Westliche Nachbarschaft, die „östliche Nachbarschaft“ und die „niederste Nachbarschaft‘.

Im Laufe der Jahrhunderte entfielen in Westhofen die Gründe der Selbstverteidigung. Aber viele andere und alte Aufgaben der Nachbarschaften verblieben noch, die die wei­tere Pflege des Nachbarschaftswesens forderten. So ist bis heute, trotzdem sich alle Verhältnisse in Westhofen grundlegend geändert haben, als Aufgabe der Nachbarschaft geblieben die Anteilnahme und Hilfe der Nachbarn in allen Lebenslagen, in Freud und Leid, in Not und Tod.

„Dä Nobers van Westhuoven“ sind sich ihrer Pflichten, die sie gegenüber der Nachbarschaft haben, durchaus bewußt, denn das Nachbarwesen ist in den altehrwürdigen Mauern det alten Freiheit keine leere Tradition, sondern tritt in aller Lebendigkeit heute noch in Erscheinung. Der unverschuldet in Not geratene Mitbürger soll mit seinem Los nicht allein bleiben. Es wird geholfen, wo immer auch die Hilfe erforderlich ist und soweit die Nachbarschaft die Möglichkeit dazu hat. Man ist sich bewusst, dass die Not- und Schicksalsgemeinschaft der Westhofener den Gedanken der engen nachbarschaftlichen Verbundenheit erst geboren hat. Keiner wird an dem Tage der Festfeier, am „Sup-Peiter“, vergessen oder übersehen, so besonders nicht der, der infolge von Krankheit oder seines Alters wegen keine Möglichkeit hat, zu den festlichen Stunden zu erscheinen. Der „Schräpper“ sorgt dafür, dass der Pfefferpotthast und vielleicht auch ein Schnäpschen in das Haus geschickt werden. Die Nachbarschaft in Westhofen ist also in der Tat eine Gemeinschaft, die mehr bedeutet als nur eine Pflegestätte einer liebgewordenen Tradition.

Die jährlichen Zusammenkünfte haben im Lauf der Zeit, ähnlich wie im benachbarten Schwerte, immer mehr den Charakter der Geselligkeit angenommen. Trotzdem wird aber dabei am alten Brauchtum, an alter überlieferter Sitte zäh festgehalten: Die drei Nachbarschaften haben gemeinsam je einen „Oberschräpper“ oder „Nachbarschaftsrichter“ und jede Nachbarschaft seine „Schräpper“ oder „Richter‘. Nach der Parole: „Am Ollen hollen“ wachen sie über die Pflege und strikte Einhaltung des alten Nachbarschafts­brauchtums. Die drei Nachbarschaften feiern am Samstag nach Petri Stuhlfeier in ihren Nachbarschaftslokalen getrennt ihre Nachbarschaftsfeste. Oberschräpper, Schräpper und die übrigen Vorstandsmitglieder haben dann diesen jahrhunderte lang gepflegten Brauch gut vorbereitet. In zünftiger Weise verhandeln dann Westhofens Männer bis spät in die Nacht und bis zum frühen Morgen die Angelegenheiten ihrer Nachbarschaft. Es wird der Jahresbericht der Nachbarschaft verlesen, die Kassenverhältnisse klargelegt, die verstorbenen Nachbarn des Jahres geehrt, Jubilare ausgezeichnet und als eigenartiger uralter Brauch - „geschrappt“, damit die Kasse der Nachbarschaft sich wieder anfüllt für das nächste Jahr und nächste Nachbarschaftsfest. Dazu wird Pfefferpotthast aufgetragen und Bier getrunken.

Das Programm ist in allen drei Sälen gleich, so dass die Feiern nach einem einheitlichen Zeremoniell verlaufen. Man hat dabei die Säle mit alten Waffen der Vorfahren ausgeschmückt: uralte Keulen und Morgensterne, Speere und Messer. In keinem Saal fehlt als wichtigstes Stück das „Schrappeisen“,an dem der „Schräpper“ im Laufe des Abends oftmals Strafen für die „Sünder“ an der Nachbarschaft „abgeschrappt“, aber auch die „Winnegelder“ ­für den Eintritt in die Nachbarschaft. Dazu stehen in jedem Saal Öfen bereit, die auf Temperatur gebracht werden und an denen die „Neuen“ gerückt werden, bevor die Nachbarn ihre Einwilligung zur Aufnahme in die Nachbarschaft bekunden. Beim „Winnen“ wird in wahrstem Sinne des Wortes geschwitzt, dass die Schweißtropfen rinnen. Der schwitzende Nachbarschaftskandidat muss sich seine Aufnahme in die „erlauchte Gesellschaft der Nachbarn‘ einiges kosten lassen. Ist er Hausbesitzer, muss er tiefer in die Taschen greifen, als einer, der nur eine Mietwohnung besitzt. Das „Winnegeld“ fließt in die Nachbarschaftskasse, aus der die Kosten für „Sup-Peiter“ und für Notstände in der Nachbarschaft bezahlt werden.

Die Nachbarschaftsfeiern in Westhofen sind eine reine Männersache. Frauen haben zu ihnen keinen Zutritt. Sie warten zu Hause auf die Rückkehr ihrer Männer, deren Festzeit nicht befristet werden darf.*) Dass auf „Sup-Peiter“ nur plattdeutsch verhandelt und gesprochen wird, ist selbstverständlich: Am Ollen hollen!“ So hielt im Jahre 1954 Schräpper Rudi Backhaus folgenden Nachruf auf verstorbene Nachbarn beim Nachbarschaftsfest bei Weiberg:

„Nobers! Wänn so dä Piäpperpotthastgerück dör dä Stroten van use olle Freiheit tüt, dann weit en jeder, et es Sup-Peiter. To düise Fier het vie us tesammenfunnen, üm dän Dag no olthergebrachter Wiese festlik te begohn. Im Namen van usem Vörstand begrüß ek ink alle te Haupe. Dat awgelaupene Sup-Peiter-Johr hiert nen schlechten Anfang nuommen. Kum viertiehn Dage ächter däm värigen Owend, do sturw am 7. Mäte 1953 im Oller van 44 Johr dä Nober Walter Ganz. Hä hadde hier dä Fier noch metmaket un sat do am Disch. Ower hä was an düisem Dage schon lurig un fit mä sau opgelagt as frögger. Walter Ganz was nen flietigen un strebsamen Nober. Hä arbeide für twei. Un det Soterdags un Sundags musizierde hä noch. Et gaw wuohl hier rüm un düm keinen biätern Musikanten, wä sau dat Schlagtüg verarbein konn, wie dä Nober Ganz. Wänn hä ächter sinem Instrumente sat, dann was hä in sinem Elemente. Nobers, dann sog me iähm ock nit an, dat hä in Garenfeld op diäm Kliewe geboren was. Dann konn me ä anniähmen, dä wär in New York oder Chikago to Welt kommen. För iähm driepet dä Spruch tau:

„Ein Musikus, ein Musikus, weiß immer, was er spielen muß!“

Im Oller van binoh 85 Johr waue im November 1953 dä Nober Fernand Sondermann to grauten Noberschop awgerau­pen. Fernand Sondermann gehode nit to use Noverschop. Hä hiert ower lange Johre drinn wuhnt. Sit 1949 hiert hä ock sin Ruhegeld ut use Noberschop betrocken. Dat het, hä waue am Sup-Peiter-Owend met ne anständige Piäpperpotthast versorget. Te düisen Tweck schickede hä us dann jedesmoal düisen Henkelmann. En ollet un seltenes Stück. Ut diesem Grunne het vie ock tom Andenken an dän Nober Fernand dän Henkelmann to usem Archiv nuommen. Der Nober Richter Fritz Hoffmann hiert iähm jedesmohl beide Pötte vull Fleisch don un uowen drop nen kleinen Iärappel lagt. Wänn iähm dann dä Nober Fritz Hoffmann dän vullen Henkelmann üöwerreickede, dann hiert sich Fritz jedesmohl entschuldiget un sagt: Niähmt es us nit üwel, Iärappel sint us düit Johr knapp wauen. Doropp hiert Fernand dann üm­mer prompt antwortet: Junge, mak die deswiägen keine Suorge, dä Iärappel well eck wuohl dobi kriegen, dat es nit sau wichtig. För düise Gutheit usen Dank an Nober Fritz.

To Ehren düiser beiden Nobers, welke op grauter Fahrt gohn sint, stot op.‘

 

Verdiente Nachbarn werden auf „Sup-Peiter“ auch geehrt. Ihnen wird der „Graute Sup-Peiter-Orden“ verliehen. Es ist das eine mehr als einen Meter lange Mettwurst mit anderem Wurstwerk, das dem Geehrten vom „Schräpper“ über die Schultern gelegt wird. Aus „Petri Stuhlfeier“ haben vor Jahrhunderten die West­hofener Männer das „Sup-Peiter-Fest“ gemacht. Man muss am „Ollen hollen“ sagen die heutigen Westhofener Männer und halten es so schon seit vielen Jahren. Aber mit Maß:

denn im Hintergrund stehen die „Schräpper“ und die „Schräppersknechte“ mit dem uralten verbrieftem Rechte eigener Gerichtsbarkeit. Im übrigen aber halten sie sich das Jahr hindurch an die „10 Gebote, dei man beachten sall“, die Otto Externbrink, Amtsrentmeister i. R. unter der Über­schrift: „Holl gurde Noberschoft“ für die Westhofener zu­sammengestellt hat:

1. Holl gurde Noberschoft, denn hist du es mit dinem Nober verduorwen, sau kann hei di mehr schaden, als en gurden Frönd di nützen kann.

2. Gläuw nit, du könnest ohne dinen Nober utkommen. Wann du auk biätter steihst at hei, sau kann doch moll de Tied kommen, wo hei nit met di tuschen wäuerde.

3. Dräng dinem Nober dinen Rot nit op, un wann hei die um dine Ansicht angeiht, so segg: ek wäuert sau maken, ower nit: sau maußt du et maken.

4. Nimm dinen Nober nit tefaken un unnäudig in Anspruch. Hist du die wat lennt, sau brenge et bolle un in gurdem Tau­stanne terügge.

5.Wenn sik Nobers Blagen moll unenns sind, sau sött sik de Ollen do nit drüm kümmern. Et es biätter, de Blagen schlott sik moll, as dat se sik alleteleif hett.

6. Wann Nobers Kauh moll unnern Tun hiär graset, sau günn iähr dei paar Halme. Villichte dünget di dofüör mol Nobers Rüen dine Kauhlplanten.

7. Es dinem Nober mol etwa scheif gerohn, sau sie du nit dei­jenige, dei vüör luter Schadenfreide de Sake noch bredder tritt.

8. Hit din Nober noch ne junge schäune Frau, sau danze leiwer met ne annere; es ower dat Gigendeil de Fall, sau drafst du se ruhig ätwas hoffeiern.

9. Es din Nober en Twiäsdriewer un Prozeßkrämer, sau legg Wert drop, dat man van di dat Gigendeil behauptet.

10. Wann de Obrigkeit van di ätwas weil, wat di nit päßt, sau segg niemols: goht no minem Nober Fritz — oder bu hei gerade hei — dei hit mäh Platz usw. Wei sau handelt, es de schlechteste Nober, den et giewen kann.“

 

Bei einer Besprechung der Vorstände der drei Nachbarschaften zur Vorbereitung des diesjährigen Nachbarschaftsfestes bekräftigten sie den Willen der Westhofener Bevölkerung, an der „Nobertradition“ festzuhalten und wiederum zünftig aus Anlass des Sup-Peiter-Treffens das „Schrappisen“ zu bearbeiten. Die Vorstände befürworteten aber auch eine neue Aufteilung der Nachbarschaften. Das Ausweitungsgelände der alten „Freiheit‘ liegt im Osten der Stadt. Die rege Woh­nungsbautätigkeit hat in den letzten Jahren zu einer „Überbesetzung‘ der östlichen Nachbarschaft, die im Saale Bungert tagt, geführt. Ein besonderer Ausschuss soll sich mit der anteilmäßigen Verteilung des Bevölkerungszuwachses auf alle drei Nachbarschaften befassen. Diese Vorberatung ließ aber auch deutlich werden, dass Westhofens traditionelles und originelles Nachbarschaftsfest, der Sup-Peiter-Tag, auch in Zukunft in aller Form mit Schwitzen, Bußezahlung, Pfefferposthast, etlichen „Kloren“ und „kühlen Hellen“, jedoch weiter unter strengstem Ausschlusss der „Fraulü“ gefeiert wird. Die Bewohner der alten Freiheit Westhofen wurzeln mit ihrem Nachbarschaftswesen im Althergebrachten. In unserer schnellebigen Zeit, in der wir kaum noch Gelegenheit finden, uns auf das Ursprüngliche, auf die besondere Eigenart zu besinnen, in der die Dinge, die unseren Vätern noch so wesentlich und vielleicht sogar lebensnotwendig waren, neigt die Menschheit leider oft genug zu einer Verflachung. Dadurch besteht allzu leicht die Gefahr, Sitte und Brauchtum in Vergessenheit geraten zu lassen. Um so mehr muss man sich deshalb freuen, wenn es eine Überlieferung gibt, die in solch lebendiger Form erhalten bleibt, wie man sie in Westhofen noch antrifft.

 

*) Sie wissen nur, dass der Uhrzeiger weiterrückt, denn der Nachtwächter von einst zieht in dieser Nacht durch die dunklen Straßen der alten Freiheit, bläst auf seinem Horn und sagt die Stunden an.

  Das Wappen des Reichshof Westhofen
Heimatverein Reichshof Westhofen e.V. ~ Im Graben 13 ~ 58239 Schwerte